Die Anwälte Klaus Wittmann und Thilo Bals, ein Angeklagter, Anwalt Johannes Makepeace, eine Angeklagte und Anwalt Alexander Stevens stehen im Gerichtsaal.
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Prozess um Mord an Doppelgängerin

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Doppelgängerinnen-Mordprozess: Angeklagte schuldig gesprochen

Doppelgängerinnen-Mordprozess: Angeklagte schuldig gesprochen

Einer der aufsehenerregendsten Prozesse des Jahres ist heute zu Ende gegangen. Die Angeklagten im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozess wurden wegen Mordes schuldig gesprochen. Das Gericht in Ingolstadt verhängte lebenslange Haftstrafen für sie.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

In Ingolstadt ist am Landgericht heute ein spektakulärer Prozess zu Ende gegangen. Im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozess wurden beide Angeklagten für schuldig befunden. Die Geschichte dahinter klingt so absurd, dass ein Streaming-Anbieter bereits ankündigte, den Fall zu verfilmen.

Urteil: Lebenslänglich für beide Angeklagten

"Die Tat weicht von üblichen Taten ab", stellte die Kammer fest und verurteilte die Angeklagten Schahraban K. und Sheqir K. zu lebenslangen Haftstrafen wegen gemeinschaftlichen Mordes. Die Angeklagte wurde zudem der Anstiftung zum Mord schuldig gesprochen. Außerdem stellte die Kammer die besondere Schwere der Schuld im Fall der 25-Jährigen fest. Das bedeutet: Sie wird keinesfalls vor Ablauf der 15 Jahre aus der Haft entlassen.

Während der Urteilsverkündung verbarg Scharaban K. ihr Gesicht hinter ihren Haaren. Eine Regung war nicht zu erkennen. Sie mied den Blick ins Publikum während das Gericht die Tat als heimtückischen Mord bezeichnete. Sheqir K. stand regungslos da und folgte äußerlich ungerührt der Urteilsbegründung. Der Vater des Opfers, der 23-jährigen Khadidja O., kämpfte bei Verlesung der Verletzungen seiner Tochter mit den Tränen.

Gericht: Angeklagte hat eigenen Tod inszeniert

Das Gericht geht davon aus, dass die Angeklagte Schahraban K. über soziale Medien gezielt nach einer Frau gesucht hat, die ihr ähnlich sieht. Diese habe sie in der 23-jährigen Khadidja O. gefunden. Gemeinsam mit dem Mitangeklagten holten sie im Sommer 2022 Khadidja O. in Eppingen an ihrem Wohnort in Baden-Württemberg ab, so das Landgericht Ingolstadt. Die beiden Angeklagten töteten ihr Opfer in einem Waldstück zwischen Eppingen und Heilbronn mit 56 Messerstichen.

Danach sei die Angeklagte in ihrem Wagen zurück nach Ingolstadt gefahren. Dort wohnten beide Angeklagte zur Tatzeit im Sommer 2022. Der Komplize ist auf dem Beifahrersitz gesessen, die Tote auf der Rückbank gelegen, stellte das Gericht fest.

Das Gericht geht in seiner Urteilsfindung davon aus, dass Schahraban K. so ihren eigenen Tod vortäuschen und untertauchen wollte, damit sie ein neues Leben beginnen kann. Dafür wollte sie eine ihr ähnliche Person finden, töten, die Leiche in ihr Auto legen und anzünden.

Ihr Motiv: Sie war verzweifelt, weil sie durch die Trennung von ihrem Ex-Mann auch Job und Wohnung verloren hatte und sich bei ihren Eltern nicht mehr so frei fühlte, das belegen Chatnachrichten.

Opfer über Instagram gesucht

Über Instagram hatte sie nach einem geeigneten Opfer in ihrem Alter und mit braunen Augen und braunen Haaren gesucht. Dafür hatte sie drei Accounts und war ständig online, insgesamt hat sie laut Ausführungen des Gerichts 24 Frauen angeschrieben. Khadidja O. sei ein Zufallsopfer gewesen. In Ingolstadt hielt die Angeklagte dann nach jemanden Ausschau, der die Tat für sie ausführt. Diesen fand sie in dem Angeklagten Sheqir K., davon geht das Gericht aus.

"Wir haben morgen viel zu erledigen, ich freu mich auf morgen", schrieb sie dem Angeklagten am Vortag der Tat. Wie sie den Mitangeklagten Sheqir K. dazu brachte, ihr zu helfen, ist nicht bekannt. Für Gewaltfantasien des Angeklagten gibt es keine Hinweise. Der Angeklagte äußerte sich während des gesamten Prozesses nicht zu dem Fall.

Schahraban K. kaufte Benzinkanister und lagerte Koffer im Keller des Angeklagten. Danach fuhren sie nach Eppingen bei Heilbronn, um Khadidja O. abzuholen. Ihr Vorwand: eine kostenlose Laserbehandlung. Die Navigations- und GPS-Daten des Autos belegen exakt die Fahrt und die jeweiligen Stopps. Vorab hatte die Angeklagte mit dem Opfer Kontakt per Telefon. Dann hielten sie im Wald und das Opfer stieg unter einem falschen Vorwand aus. Den beiden Angeklagten war laut Gericht bewusst, dass ihr Opfer nichts ahnte, also arglos war.

Im Video: Urteil im Doppelgängerinnen-Prozess - Die Reportage

Blumen und Kerzen für die Tote an dem Ort, an dem sie gefunden wurde. Im Vordergrund die beiden Angeklagten: Sie verdeckt das Gesicht mit Papieren, er ist gepixelt. Am Landgericht Ingolstadt wird das Urteil im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozess erwartet.
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Blumen und Kerzen für die Tote an dem Ort, an dem sie gefunden wurde. Im Vordergrund: die beiden Angeklagten.

Kammer folgt den Forderungen der Staatsanwaltschaft

Das Gericht ist in weiten Teilen den Forderungen der Staatsanwaltschaft gefolgt, während die beiden Verteidigerteams auf einen Freispruch plädierten – aus Mangel an Beweisen, wie sie sagten.

Nach der Urteilsverkündung kündigte die Verteidigung der Angeklagten bereits an, Rechtsmittel einzulegen. Das bestätigten die Anwälte auf Anfrage des BR. Ihr Team aus vier Verteidigern sieht die besondere Schwere der Schuld als fragwürdig, da ihre Mandantin Schahraban K. das Messer nicht in der Hand gehabt habe. Auch die Verteidigung des Angeklagten will Revision einlegen.

Vater des Opfers nur teilweise zufrieden

Die Anwältin der Nebenklage, die den Vater des ermordeten Mädchens vertritt, ist mit dem Urteil für die Angeklagte Schahraban K. zufrieden, da sie das höchste Strafmaß bekommen habe, das man in Deutschland bekommen könne. Das sagte die Anwältin dem BR in einem Interview. Allerdings seien sie und ihr Mandant unzufrieden, dass die besondere Schwere der Schuld beim Angeklagten Sheqir K. verneint wurde. Das mache ihren Mandanten wütend und traurig.

Der Vater des 23-jährigen Opfers habe sich Antworten vom Prozess erhofft, die er nur teilweise erhalten habe. Bis der Vater einen Abschluss finden könne, werde es noch sehr lange dauern, so die Anwältin. Auch ein Gerichtsurteil bringe keinen Frieden.

Mammutprozess zu Ende

Es war ein langer und aufwendiger Prozess am Landgericht Ingolstadt. Bereits im Januar 2024 begann die Verhandlung. Am Ende waren es 53 Verhandlungstage, weit über 100 Zeugen, dazu zahlreiche Sachverständige und Gutachter. Immer wieder legten die Anwälte der beiden Angeklagten neue Anträge vor, was zu Verzögerungen führte.

Dazu gab es auch immer wieder Überraschungen: Rund eineinhalb Jahre nach der Tat fanden die Ermittler bei einer erneuten Durchsuchung des Autos der Angeklagten eine Pistole. Auf Briefchen, die ebenfalls im Auto gefunden wurde, kam ein neuer Zeuge ins Spiel: ein jesidischer Scheich, der dann noch gegen Ende des Prozesses zweimal vor Gericht aussagen musste.

Im Video: Lange Haftstrafen für die Angeklagten im Doppelgängerinnen-Mordprozess

Die Angeklagten und deren Anwälte im Ingolstädter Landgericht.
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Die Angeklagten und deren Anwälte im Ingolstädter Landgericht.

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