Im Sommer 2019 wurden E-Scooter für den Straßenverkehr in Deutschland zugelassen und erfreuen sich seitdem großer Beliebtheit. So sind in München mittlerweile über 10.000 elektrische Roller unterwegs, in Nürnberg sind 4.000 zugelassen. Erwartbar kam es mit dem neuen Verkehrsmittel auch zu Unfällen, die es vorher nicht gab.
Mediziner der TU München haben ein Zentralregister mit allen registrierten Unfällen auswertet, mit einem besonderen Augenmerk auf E-Scooter-Unfälle mit Schwerverletzten. Nach Angaben der Autoren ist es die derzeit umfassendste Analyse mit diesem Schwerpunkt im deutschsprachigen Raum. Die Daten verraten einige Besonderheiten.
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Schwerverletzte häufig betrunkene Männer
538 Unfälle mit Schwerverletzten im Zeitraum von 2020 bis 2023 haben die Experten der Technischen Universität untersucht - 26 Elektoroller-Fahrer kamen dabei ums Leben. Der typische Unfall ereignete sich den Daten zufolge am Wochenende (50 Prozent) und nachts zwischen 18 und 6 Uhr (54 Prozent). Über Dreiviertel der Unfallopfer waren Männer (78 Prozent). Mehr als die Hälfte der getesteten Betroffenen war betrunken (62 Prozent). Bei etwa einem Drittel lag der gemessene Blutalkoholspiegel über dem gesetzlichen Grenzwert von 0,5 Promille.
Forscher für Schock-Kampagnen zur Aufklärung
Wie Michael Zyskowski von der TU im BR-Interview erklärt, würden viele Betrunkene zwar wegen ihres Zustands nicht mehr Autofahren, aber offenbar bedenkenlos E-Scooter. Die schweren Unfälle, die auch mit einem E-Scooter passieren können, hätten sie nicht vor Augen. Abgesehen davon, dass für E-Scooter als Elektokleinstfahrzeuge dieselben Promillegrenzen wie fürs Autofahren gelten. Der Unfallchirurg plädiert deshalb für Schock-Kampagnen und Werbemaßnahmen, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass ein E-Scooter kein Spielzeug ist.
Plädoyer für Helmpflicht
Mehr als 80 Prozent der Schwerverletzten benötigten nach dem Unfall eine intensivmedizinische Behandlung. Am weitaus häufigsten waren Kopf und Gesicht betroffen (83 Prozent). Typischerweise dauerte der Aufenthalt auf der Intensivstation zwei Tage, der gesamte Krankenhausaufenthalt sieben Tage.
Unfallforscher Zyskowski wirbt deshalb für eine Roller-Helmpflicht, wie sie in Italien oder Australien üblich ist. In Deutschland gibt es dagegen nur eine allgemeine Empfehlung zum Tragen eines Kopfschutzes. Nach Meinung der TU-Mediziner sollte deshalb geprüft werden, ob E-Scooter-Verleiher auch Leihhelme bereitstellen könnten.
Vorbild Oslo und Helsinki?
Auf die Alkoholproblematik und die nächtlichen Unfallhäufigkeiten haben Städte wie Oslo und Helsinki bereits reagiert. In der norwegischen Hauptstadt gilt ein Fahrverbot für Mietroller zwischen 23 und 5 Uhr. In der finnischen Metropole wurde die zugelassene Höchstgeschwindigkeit für E-Scooter am Wochenende von 25 auf 15 km/h reduziert. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen sei allerdings noch abzuwarten, so die Autoren der TU Studie.
Einige E-Scooter-Firmen ermöglichen die Ausleihe am Wochenende schon jetzt erst nach einer Art Reaktionstest in der Nutzer-App. Diese könnte man noch verschärfen, meint Zyskowski, um so Alkohol-Fahrten zu unterbinden.
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