Drei junge Frauen bei der Ausbildung "Helfen in seelischer Not".
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Drei junge Frauen bei der Ausbildung zur Anleiterin für den Kurs "Helfen in seelischer Not".
Bildrechte: BR/Karin Goeckel
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Drei junge Frauen bei der Ausbildung zur Anleiterin für den Kurs "Helfen in seelischer Not".

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Ehrenamtliche werden zu Ersthelfern für seelische Krisen

Ehrenamtliche werden zu Ersthelfern für seelische Krisen

Erste Hilfe in einem medizinischen Notfall ist selbstverständlich. Aber was, wenn die Seele in Not ist? Auch in psychischen Ausnahmesituationen ist erste Hilfe möglich. In Nürnberg haben sich junge Ehrenamtliche zu Kursleitern ausbilden lassen.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Benno Dauer kennt das Gefühl der totalen Überforderung. Wenn ein Kind beim Zeltlager Heimweh hat, sich Jugendliche streiten oder Liebeskummer haben, ist der 23-Jährige als ehrenamtliche Helfer für viele erster Ansprechpartner. "Dann stehst du da und hörst zu", erzählt Benno. "Aber du hast keine Ahnung, ob das richtig ist, was du tust. Man folgt da einfach seiner Intuition und hofft, dass das was bringt." Das will der junge Mann ändern – mit einer Ausbildung zum seelischen Ersthelfer.

"Du musst helfen, das gebietet die Moral"

Seit acht Jahren ist Benno Dauer im evangelischen Dekanat Weilheim in Oberbayern ehrenamtlich in der Jugendarbeit aktiv, hilft beim Konfirmationsunterricht, plant Aktionstage oder begleitet Ferienfreizeiten.

Immer wieder hat er Kinder und Jugendliche in seelischen Krisen erlebt und versucht, sie so gut es geht zu unterstützen. "Man kann ja nicht zum Kind sagen: Sorry, außerhalb meiner Kompetenz. Sobald du in dieser Situation bist, musst du helfen. Das gebietet nicht nur die Aufsichtspflicht, sondern einfach die Moral", meint der 23-Jährige.

Einfache Handlungstipps bei seelischen Krisen

Damit Benno Dauer künftig besser gewappnet ist, wenn einer seiner Schützlinge in eine psychische Ausnahmesituation gerät, lässt er sich zum Anleiter für den Kurs "Helfen in seelischer Not" (H-S-N) ausbilden. Diese zweistündige Fortbildung haben die Universität Regensburg und das Studienzentrum für evangelische Jugendarbeit Josefstal am Schliersee entwickelt.

"Wir übersetzen Wissen aus Praxis und Forschung in einfache Handlungstipps", erläutert Berthold Langguth, Chefarzt am Bezirksklinikum Regensburg und einer der wissenschaftlichen Projektleiter. Wichtig sei auch der niederschwellige Zugang zu den Kursen in Kirchen, Jugendhäusern und Kommunen.

Wichtig in Krisen: Hinschauen – Sprechen – Netzwerken

Zusammen mit anderen Ehrenamtlichen lernt Benno Dauer während seiner Kursleiter-Ausbildung im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg die wichtigsten Grundsätze für Handeln in psychischen Krisen kennen: Hinschauen, Sprechen, Netzwerken.

Hinschauen heißt: Die seelische Not beim Kind oder Jugendlichen erkennen – sind es Angst, Wut oder Trauer, die die Krise verursachen? Sprechen bedeutet: Mit dem Kind, das sich in einer Krise befindet, reden, es beruhigen, gemeinsam eine Lösung suchen.

Wenn bei Ersthelfern das Gefühl der Überforderung aufkommt, sollten sie Hilfe holen, also netzwerken. "Wenn ich selber das Gefühl habe, ich schaffe das grade nicht, dann kann ich Netzwerken und andere Personen mit ins Boot holen", erklärt Projektmitarbeiterin Isabelle Rausch. "Wir wollen die Last der Verantwortung von Ersthelfer*innen nehmen."

Konfirmand mit Panikattacke wegen Angst vor Feuer

Zittern oder kalter Schweiß können etwa auf Angst und Panik hindeuten. Rebecca Stieglitz aus Ansbach hat schon einmal eine Panikattacke bei einem Jugendlichen erlebt – ein Konfirmand mit panischer Angst vor Feuer hatte bei einer Andacht mit vielen brennenden Kerzen eine Panikattacke. "Wir wussten nicht von seiner Angst", berichtet Stieglitz. "Das war für uns, vor allem für die Mit-Konfis schwierig, weil wir nicht wussten, wie können wir da auf ihn zugehen."

Heute, nach ihrer Ausbildung, wüsste Rebecca Stieglitz, was zu tun ist: Mit dem Konfirmanden in Ruhe reden, ihn aus der für ihn belastenden Situation herausholen, ihn nicht zur Teilnahme an der Andacht zwingen, vielleicht auch Hilfe holen – bei Vertrauenspersonen des Jugendlichen, bei einem Arzt oder einer Beratungsstelle.

Seelische Krisen bei Kindern und Jugendlichen nicht selten

Seelische Krisen bei Kindern und Jugendlichen sind kein seltenes Phänomen. Laut dem 2. Bayerischen Psychiatriebericht wurden im Jahr 2022 bei 302.000 Kindern und Jugendlichen in Bayern psychische Störungen diagnostiziert – ein Großteil davon war keine 15 Jahre alt.

Auch Depressionen werden häufiger. Nach Erkenntnissen der Krankenkasse Barmer steigt die Zahl der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, bei denen eine depressive Episode diagnostiziert wird. Demnach waren im Jahr 2018 rund 47.400 im Alter zwischen fünf und 24 Jahren betroffen. 2023 sei diese Zahl auf 64.000 gestiegen.

Ersthelfer-Kurse sind offen für alle

Dass sich Ehrenamtliche in der Jugendarbeit auf Krisensituationen vorbereiten, ist also sinnvoll. Projektmitarbeiterin Isabelle Rausch freut sich über die neuen Kolleginnen und Kollegen, die in Nürnberg die Ausbildung zu Ersthelfenden in seelischen Krisen absolviert haben. Sie sollen als Multiplikatoren dabei helfen, die psychische Gesundheit in der Gesellschaft zu verbessern. "Das ist ein so wichtiges Thema, das betrifft uns alle", findet sie. Deshalb sind die Kurse "Helfen in seelischer Krise" nicht nur für Ehrenamtliche in der Jugendarbeit offen, sondern für alle.

💡 "Helfen in seelischer Not"

Hier gibt es weitere Informationen zu den Ersthelfer-Kursen für psychische Krisen "Helfen in Seelischer Not“. Die nächste Ausbildung zur Kursleiter*in findet vom 17. bis 19. September in Pullach statt und ist offen für alle. Kurse können auch von Organisationen gebucht werden.

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