Saatkrähen sitzen in Bäumen vor einem Vollmond am Himmel.
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Saatkrähen sitzen in Bäumen vor einem Vollmond am Himmel. (Symbolbild)

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Ein Ort der Stille? Vogelschutz kontra Friedhofsfrieden

Ein Ort der Stille? Vogelschutz kontra Friedhofsfrieden

Wer auf den Friedhof in Unterhaching kommt, hört und sieht zuerst: Krähen. Sie sind laut und ihr Kot verteilt sich über etliche Grabsteine. Die Verzweiflung bei Friedhofsbesuchern ist groß, denn gegen Krähen darf nicht vorgegangen werden.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Ein Ort der Ruhe ist der Friedhof im Münchner Vorort Unterhaching schon lange nicht mehr. Statt Vogelgezwitscher hallt lautstarkes Gekrächze durch die Bäume – über 70 Krähenpaare nisten in der Brutzeit direkt über den Gräbern. Für viele Angehörige ist das untragbar – der Gemeinde sind jedoch die Hände gebunden.

"Dauerbeschuss" durch die Saatkrähen

Georg Neumann, dessen Eltern auf dem Unterhachinger Friedhof beerdigt sind, hat genug. Seitdem die Grabstätte seiner Familie massiv mit Kot verunreinigt wurde, fühlt er sich von der Gemeinde im Stich gelassen. "Mir geht es darum, dass der Friedhof wieder ein würdiger Ort wird", sagt er. Stattdessen erlebe er jedes Jahr zwischen März und Mai das Gleiche: "Dauerbeschuss" durch die Saatkrähen.

Neumann verweigert deshalb die Zahlung der Grabnutzungsgebühr – und hat dafür bittere Konsequenzen erfahren: "Die Gemeinde hat meine Konten gepfändet", erzählt er. Inzwischen hat er sogar Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht – fordert Maßnahmen gegen die Krähen und ein symbolisches Schmerzensgeld.

Krähen stehen unter strengem Schutz

Das Problem: Die Saatkrähe steht unter strengem Naturschutz. Ein Entfernen der Nester ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Regierung von Oberbayern erlaubt. Unterhachings Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) zeigt Verständnis für den Ärger der Bürger – sieht sich aber rechtlich nahezu handlungsunfähig: "Alle Maßnahmen brauchen Genehmigungen. Selbst das Fällen der Bäume auf dem Friedhof wäre naturschutzrechtlich kaum möglich."

Seit über zehn Jahren versuche die Gemeinde bereits, das Problem mit sogenannten Vergrämungsmaßnahmen zu lösen – darunter laute Geräusche, Böllerschüsse und sogar Goaßlschnalzer. Erfolg: mäßig. "Wir haben die Krähen damit nur verteilt, aber nicht verdrängt."

Ein Friedhof unter Planen

Aktuell bleibt der Gemeinde nur ein Mittel: Die betroffenen Gräber mit Planen zu verhüllen. Für Friedhofsgänger Neumann jedoch keine Lösung: "Das schützt den Stein, aber ändert nichts an dem unwürdigen Zustand." Er bot sogar an, auf eigene Kosten Schutznetze anzubringen – erhielt darauf jedoch keine Rückmeldung, wie er sagt.

Die Gemeinde betont hingegen, man habe betroffenen Angehörigen auch die Möglichkeit zur Umbettung angeboten. Bei Neumann sei unklar, ob ihm dies explizit vorgeschlagen wurde. Bürgermeister Panzer: "Wenn er das möchte, kann er die Verlegung beantragen – kostenlos ist das aber nicht."

Schutzstatus noch zeitgemäß?

Unterhaching steht mit dem Problem nicht alleine da. In vielen Gemeinden des Landkreises München breiten sich Krähenpopulationen aus. Panzer fordert deshalb ein Umdenken auf höherer Ebene: "Wie beim Wolf muss man auch hier neu bewerten, ob der Schutzstatus noch zeitgemäß ist. Sonst erreichen wir keine echte Lösung."

Für Georg Neumann geht es derweil um mehr als eine juristische Auseinandersetzung. Es geht um Respekt: "Wenn sich nichts ändert, dann eignet sich dieser Teil des Friedhofs nicht mehr für Gräber. Dann muss die Gemeinde Umbettungen ermöglichen."

Ob es eine Annäherung zwischen Gemeinde und Kläger geben wird, ist offen. Bürgermeister Panzer ist skeptisch: "Ich bin gesprächsbereit, aber er war keiner Lösung aufgeschlossen." Die nächste Runde wird wohl vor Gericht ausgetragen – während die Krähen unbeirrt weiter nisten.

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