Archivbild: Bundeskanzler Merz beim Besuch in Kiew mit Präsident Selenskyj
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Waffenlieferungen: Warum Merz weniger darüber sprechen will

Waffenlieferungen: Warum Merz weniger darüber sprechen will

Kein europäisches Land liefert der angegriffenen Ukraine mehr Waffen als Deutschland. Bisher hat die Bundesregierung umfangreich informiert – das soll sich jetzt ändern. Die Begründung überzeugt in Berlin nicht jeden.

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Zu spät, zu wenig: So haben CDU und CSU die deutschen Militärhilfen für die Ukraine zu Ampelzeiten kritisiert. Vor allem die Lieferung eines bestimmten Waffensystems war der Union ein großes Anliegen, das sie immer wieder in die Öffentlichkeit getragen hat. Zum Beispiel vergangenes Jahr im Februar, als die Unionsfraktion im Bundestag mit einem Antrag die "unverzügliche Lieferung" von in Kiew benötigtem Material forderte.

In Oppositionszeiten verlangt Union öffentlich Taurus-Lieferung

In der Debatte machte Friedrich Merz – damals noch Oppositionsführer – deutlich, welches Waffensystem die Unionsfraktion vor allem im Sinn hatte: "Ich bitte Sie alle", rief der CDU-Chef den Bundestagsabgeordneten zu, "sich unserem Antrag anzuschließen und die Bundesregierung aufzufordern, der Ukraine endlich den Marschflugkörper Taurus zu liefern".

Kiew hat seit Langem Interesse an dieser Waffe mit ihrer hohen Reichweite und ihrer bunkerbrechenden Sprengkraft. Doch der frühere SPD-Kanzler Olaf Scholz lehnte eine Lieferung ab – und setzte diese Linie in der Ampelkoalition durch. Allerdings brachten die immer neuen Taurus-Vorstöße der Union das ohnehin zerstrittene Bündnis zusätzlich in Bedrängnis.

Als Kanzler will Merz keine großen Debatten über Waffenlieferungen

Seit vergangener Woche nun ist Merz Kanzler. Und inzwischen denkt er anders darüber, ob öffentlich über Waffenlieferungen gesprochen werden sollte. Das machte der CDU-Chef vergangenes Wochenende bei seinem Kiew-Besuch deutlich. "Unter meiner Führung wird die Debatte um Waffenlieferungen, Kaliber, Waffensysteme und, und, und – aus der Öffentlichkeit herausgenommen", sagte Merz den Sendern RTL und ntv. Natürlich habe die Öffentlichkeit "ein berechtigtes Interesse" daran, über die Militärhilfen Bescheid zu wissen. Seine Antwort darauf sei, dass Deutschland die Ukraine militärisch unterstütze, soweit das machbar und verantwortbar sei.

Eine Antwort, die manchen in Berlin zu vage ist. Die Linke zum Beispiel schäumt: Deren parlamentarischer Geschäftsführer im Bundestag, Christian Görke, nennt die Ankündigung von Merz "politisch verheerend" und einen "Skandal". Er fordert "vollständige Transparenz" in Sachen Waffenlieferungen. Die Linke lehnt die Militärhilfen für die Ukraine mehrheitlich ab, wie auch die AfD.

Grüne: Begründung von Merz "nicht stichhaltig"

Kritik am Kanzler kommt auch von den Grünen. "Transparenz schafft Vertrauen", erklärte der Abgeordnete Robin Wagener. "Unnötige Geheimhaltung zerstört dieses Vertrauen und schafft einen Nährboden für Desinformation und Unsicherheit." Zudem sei die Begründung "nicht stichhaltig", so der Grünen-Politiker.

Doch es gibt auch Lob für Merz – etwa vom ukrainischen Botschafter in Berlin. "Ein guter Schachspieler denkt mehrere Züge voraus", schrieb Oleksii Makeiev im Internet. "Was er nicht tut, ist, diese Züge seinem Gegner vorherzusagen." Daher sei es sinnvoll, künftige Waffenlieferungen an die Ukraine "vertraulich im Kreis der engsten Verbündeten" abzustimmen. Also ohne öffentliche Debatte.

Ein Gedanke, für den die Bundesregierung das sperrige Wort "strategische Ambiguität" verwendet. Was damit gemeint ist, machte der neue Regierungssprecher Stefan Kornelius zu Wochenbeginn deutlich. Er erinnerte daran, dass durch die bisherige Informationspolitik auch das russische Regime Einzelheiten zu den deutschen Militärhilfen erfahre. Darauf, dass Moskau auch andere Informationsquellen haben dürfte als eine öffentlich zugängliche Internetseite der Bundesregierung, ging Kornelius nicht ein.

Liste mit Waffenlieferungen bisher sehr detailliert

Diese Liste soll in der jetzigen Form nicht fortgesetzt werden, wie in Berlin zu hören ist. Die bislang letzte Aktualisierung stammt vom 6. Mai, dem Tag der Kanzlerwahl. Detailliert werden hier die bisherigen Waffenlieferungen für das attackierte Land aufgezählt: von Artilleriegeschützen über Panzer bis zu Drohnen und Flugabwehrraketen.

Vom Verteidigungsministerium heißt es dazu, dass die Regierung über die militärische Unterstützung an sich auch in Zukunft informieren wolle. Wenn auch nicht mehr so detailliert wie bisher – also ohne genaue Angaben zu Stückzahlen. Eine Stellungnahme, die sich etwas anders anhört als die Worte des Kanzlers. Geht es Schwarz-Rot in Sachen Waffenlieferungen also lediglich um das Weglassen von Einzelheiten? Oder doch um eine grundlegende Kehrtwende in der Informationspolitik? Das bleibt fürs Erste offen.

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