Wird ein Blindgänger gefunden, ist manchmal schnelles Handeln angesagt: Kürzlich mussten in Nürnberg 21.000 Menschen am Tag des Bomben-Funds ihre Wohnungen verlassen. Bei einer ähnlichen Situation in München sieht es nun leicht anders aus: Die Entschärfung einer Fliegerbombe am Westfriedhof kann nach dem Fund mehrere Tage warten. Zwar müssen 7.000 Menschen ihre Wohnungen vorübergehend verlassen – allerdings geplant an einem Sonntagmorgen, nicht mitten in der Nacht.
Beide Fliegerbomben wiegen etwa gleich viel: 450 Kilogramm der Blindgänger in Nürnberg, 500 Kilogramm der in München. Die Bombe sei damit auffallend schwer, normalerweise träten in München eher 250-Kilogramm-Blindgänger auf, sagt der Sprecher der Feuerwehr München, Bernhard Peschke, dem BR.
Entscheidendes Kriterium: Wurde der Blindgänger bewegt?
Entscheidend ist: Die bei Bauarbeiten in München gefundene amerikanische Fliegerbombe wurde nicht bewegt. Von einem "glücklichen Umstand" spricht Peschke und betont: "Bei dem Fund ist keinerlei mechanische Belastung oder Bewegung vorgenommen worden. Auch die Zündvorrichtungen sind noch in der gleichen Position", sagt der Brandoberinspektor. Deshalb könne die Entschärfung in München mit mehr Zeit geplant werden, als zuletzt in Nürnberg, wo es wohl zu einer "mechanischen Manipulation" an der Bombe kam.
Luftbilder zeigen Unterschiede bei Explosion und Blindgänger
Einer, der sich mit dem Aufspüren von Blindgängern befasst, ist Wolfgang Müller, Geschäftsführer der Luftbilddatenbank Dr. Carls. Sie nutzt Luftbilder, die während des Zweiten Weltkrieges entstanden und erstellt Gutachten zu möglichen Kampfmittelbelastungen im Boden. Häufig wird die Firma bei größeren Bauvorhaben kontaktiert. Beispielsweise greifen die Deutsche Bahn oder Energieversorger auf ihre Expertise zurück. Müller weist darauf hin, dass Luftangriffe der Alliierten gut dokumentiert sind. Deren Luftbilder geben Hinweise auf mögliche Blindgänger.
Denn: Wenn eine Bombe explodiert, hinterlasse sie andere Spuren als ein Blindgänger: "Um es ganz salopp zu sagen: Ein Sprengtrichter oder eine Bombe, die einschlägt und explodiert, macht einen großen Krater mit entsprechendem Auswurf. Ein Blindgänger macht ein Loch, das je nach Kaliber unterschiedlich groß ist", führt Müller im Gespräch mit dem BR aus.
Ein Blindgänger sei auch nicht unbedingt ein Problem, betont er. Die Art der Bombe spiele eine große Rolle. Wichtig sei der Unterschied zwischen Blindgängern mit und ohne Langzeitzünder. Blindgänger ohne Langzeitzünder bewirkten in der Regel keine akuten Probleme, wenn keine große Energie auf sie einwirkt, wie beispielsweise Bohren oder Fräsen bei Bauarbeiten.
Bewegte Blindgänger mit Langzeitzünder bergen Risiken
Potenziell gefährlicher seien Blindgänger mit einem chemischen Langzeitzünder. Der Mechanismus werde durch einen Plastikstift gesichert, der in der Regel mit einer Säure zersetzt wird. "Wenn so eine Bombe gefunden und bewegt wurde, dann kann es sein, dass der Mechanismus, das Zerfressen des Plastiks, wieder in Gang gesetzt wurde." Das könne zu unvorhergesehenen Explosionen führen, mitunter mit dramatischen Folgen.
Andererseits bedeute das: "Wenn eine Bombe gefunden wird und ein Fachmann identifiziert, um welchen Typ es sich handelt und man einen Langzeitzünder ausschließen kann, dann ist ein Warten nicht unbedingt das Problem."
Langzeitzünder-Blindgänger in bestimmten Gebieten häufiger
In bestimmten Gebieten treten laut Müller nicht-explodierte Bomben mit Langzeitzünder verstärkt auf. Der Fachmann begründet das mit unterschiedlichen Bombardierungs-Strategien der britischen und amerikanischen Streitkräfte: "Die Strategie der Engländer hat darauf gezielt, mit Spreng- und Brandbomben Städte anzuzünden. Damit das Feuer nicht so schnell gelöscht werden kann, waren da auch viele Langzeitzünder dabei. Die Amerikaner haben mehr die Verkehrs- und Industrieinfrastruktur ins Auge gefasst – mit vielen Sprengbomben und weniger mit Brandbomben", erklärt er.
In Bayern hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst 2024 laut Innenministerium 53 Spreng- und Splitterbomben aus dem Zweiten Weltkrieg unschädlich gemacht. Die Bomben tauchten vor allem in Baustellen im Landkreis Straubing-Bogen (sieben Blindgänger) und in Ingolstadt (fünf Blindgänger) auf. Das Innenministerium weist darauf hin, dass vor allem im Umfeld ehemaliger Rüstungsbetriebe und militärischer Anlagen oder in städtischen Ballungsräumen mit Kampfmitteln zu rechnen ist. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst habe seit 2023 häufiger in Ingolstadt, Regensburg und Nürnberg, aber auch in Leipheim und Bogen Blindgänger entschärft.
Im Audio (19.11.25): Fliegerbombe: 7.000 Münchner müssen evakuiert werden
Einsatzkräfte am Fundort des Blindgängers in München.
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