Bei einer Experten-Anhörung im Bayerischen Landtag haben acht Terrorismus-Experten ihre Analysen gegen die Gefahr des islamistischen Terrorismus vorgestellt und Lösungsvorschläge präsentiert. Sie forderten etwa, Chat-Verläufe und Internettelefonate einsehen zu können.
Verfassungsschutz beurteilt Gefährdungslage in Bayern
Für den bayerischen Verfassungsschutz machte Vizepräsident Josef Schinabeck klar, dass für Bayern schon seit 2023 eine "hohe, abstrakte Gefährdungslage" durch islamistische Terroristen bestehe. Das habe der versuchte Anschlag auf das israelische Generalkonsulat am 5. September in München gezeigt, ebenso die Terrorwarnungen vor der Fußball-Europameisterschaft im Frühling. Zurzeit lebten in Bayern 79 "offen gewaltbereite" Salafisten; zur islamistischen Szene rechnet Schinabeck 4.200 Personen. Der Krieg im Nahen Osten diene der Mobilisierung und Radikalisierung von immer jüngeren Muslimen im Teenageralter, vor allem über das Internet.
General-Staatsanwaltschaft: "Ermittlungsbehörden sind taub"
Ein Hauptproblem sieht der Verfassungsschutz darin, dass Jugendliche nach dem Konsum von islamistischen Inhalten etwa auf Instagram oder TikTok in geschlossene Telegram- oder WhatsApp-Gruppen weiterziehen, wo dann die richtige Radikalisierung stattfinde. Diese Chats zu überwachen sei jedoch in Deutschland rechtlich nicht erlaubt und werde technisch nur von ausländischen Geheimdiensten beherrscht, so Schinabeck.
Dass sich dies möglichst schnell ändert, wünscht sich auch Rita Vavra von der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München. Die Überwachung von verschlüsselter Kommunikation sei zu schwierig - was früher im Ermittlungsfall über das Abhören von Telefongesprächen einfach war, funktioniere bei Chats und Telefonaten über das Internet nicht. Vavra sagt: "Ermittlungsbehörden sind taub. Da brauchen wir Fortschritte." Nur die Bundesregierung könne da für Änderungen sorgen.
Experte fordert "möglichst viel Geheimdienstaktivitäten"
Der gleichen Ansicht ist auch Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Für eine gute Abwehr der islamistischen Terrorgefahr brauche es "möglichst viel Geheimdienstaktivitäten", auch mit Blick auf potenzielle Attentäter aus dem Kreis muslimischer Asylbewerber in Deutschland. Denn, wie Peter Neumann vom King's College London anmerkt, befanden sich von den 45 Personen, die in den vergangenen Jahren Attentate in Deutschland versucht oder durchgeführt hatten, 90 Prozent hier in einem Asylverfahren.
Nur 0,002 Prozent der Asylbewerber wurden zu Attentätern
Zur Einordnung betont Neumann, dass in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland bei den Attentaten zwischen Breitscheidplatz in Berlin und dem Messerangriff in Mannheim insgesamt 20 Menschen getötet wurden. Im gleichen Zeitraum starben in Frankreich 200 Personen bei islamistischen Anschlägen. Und, so Neumann: Unter zwei Millionen muslimischen Asylbewerbern in Deutschland bedeuteten die 45 Attentäter mit 0,002 Prozent "eine sehr, sehr kleine Zahl". Trotzdem mahnen die Terrorismus-Experten Neumann und Steinberg übereinstimmend, Politik und Sicherheitsbehörden müssten bei der "sicherheitspolitischen Dimension der Zuwanderung genauer hinschauen".
Im Video: Landtag befasst sich mit islamistischer Szene
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