Deutschland hat für den Wolf den "günstigen Erhaltungszustand" an die EU gemeldet. Das soll es leichter machen, Wölfe abzuschießen. "Wir sorgen für eine rechtssichere Entnahme von Wölfen" steht auch im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Allerdings gilt dieser "günstige Erhaltungszustand" nicht für die "alpine Region".
Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) protestiert dagegen: "Wenn der Wolf nicht mehr gefährdet ist, dann muss das für ganz Deutschland gelten und nicht nur für Teile davon!" Die Weidewirtschaft in den Alpen sei durch den Wolf bedroht.
Warum unterscheidet man verschiedene Gebiete innerhalb Deutschlands?
Das geht auf EU-Recht zurück. Der Gedanke dahinter: Die Verbreitung von Pflanzen und Tieren richtet sich nicht nach Staatsgrenzen, sondern nach den verschiedenartigen Lebensräumen. Deutschland enthält Anteile von drei dieser biogeographischen Regionen: Atlantisch, kontinental und alpin. Die alpine Region endet direkt am Fuß der Berge. Sie berührt daher in Deutschland nur Bayern, und auch hier nur einen kleinen Teil.
"Günstiger Erhaltungszustand" von Wölfen – was bedeutet das?
Um dieses Prädikat vergeben zu können, müssen laut Bundesumweltministerium folgende Voraussetzungen erfüllt sein: "Wölfe leben jetzt und auch in Zukunft überall dort, wo sie von Natur aus leben können; der Lebensraum und das Nahrungsangebot jetzt und auch zukünftig wird ausreichen. Die Anzahl der Wölfe ist außerdem ausreichend groß, dass die Wölfe auch in Zukunft nicht wieder aussterben können, zum Beispiel durch Krankheiten, Verkehrsunfälle oder Wilderei."
Wie eindeutig lässt sich dieser Zustand feststellen?
Für den "kontinentalen" Lebensraum, der den Großteil Deutschlands und Bayerns umfasst, ist umstritten, ob die Voraussetzungen für den "günstigen Erhaltungszustand" erfüllt sind. Aus Sicht des Bund Naturschutz etwa kann davon noch nicht die Rede sein. Erst im Oktober hat Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) den veränderten Status nachgemeldet. Grundlage ist die fachlich begründete, aber letztlich auch politische Entscheidung einer Mehrheit der Bundesländer. Sie haben darüber in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Wolf beraten.
Wie viele Wölfe gibt es in Deutschland und Bayern?
Im Norden und Osten Deutschlands ist der Wolf schon viel weiter verbreitet als im Süden. In Bayern findet man bisher vergleichsweise wenige Wölfe, davon den Großteil nördlich der Donau.
Wölfe kommen in Süddeutschland deutlich seltener vor als im Norden.
In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel leben nach den jüngsten Zahlen [externer Link] 28 Wolfsrudel. Das viel größere Bayern dagegen beherbergt nur sechs.
Wie sieht es im Alpenraum aus?
Im bayerischen Alpenraum ist der Streit um den Wolf besonders heftig, weil hier viele Rinder und auch Schafe auf Weiden gehalten werden. Schutzzäune gegen den Wolf aufzustellen, gilt im Gebirge zudem als besonders schwierig.
Bisher gibt es hier aber nur einzelne Wölfe. Im bayerischen Alpenraum wurde bisher kein Rudel mit Nachwuchs nachgewiesen. Auf der österreichischen Seite genauso: In Tirol und Salzburg gab es lediglich einzelne Nachweise von Wölfen (externer Link). Der Wolfsexperte des Bund Naturschutz, Uwe Friedl, nennt es deshalb "völlig abwegig", den günstigen Erhaltungszustand für den Alpenraum zu fordern.
Wie stark erleichtert der "günstige Erhaltungszustand" den Abschuss?
Wenn Wölfe Nutztiere reißen, können sie auch bisher schon abgeschossen werden. Der "günstige Erhaltungszustand" ist Voraussetzung für einen anlasslosen Abschuss, zum Beispiel nach Quoten. Automatisch erlaubt ist das damit aber nicht. Auch wenn der Wolf – wie von Bayern beabsichtigt – ins Jagdgesetz aufgenommen wird, wäre laut Bundesamt für Naturschutz möglicherweise eine ganzjährige Schonzeit verpflichtend. So ist es für das Bundesjagdgesetz geplant. Der "günstige Erhaltungszustand" darf durch die Jagd nicht gefährdet werden.
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