Ein kleiner Ort, jede Menge Grün, dazu ein florierendes Industriegebiet, das Geld ins Gemeindesäckel spült: Eigentlich könnte alles wunderbar sein. Trotzdem hat es zuletzt so viel Zoff und üble Nachrede gegeben, dass der Bürgermeister von Kleinaitingen, einer 1.400-Einwohnergemeinde im Süden von Augsburg, nicht mehr antreten will bei der Kommunalwahl im Frühjahr. "Ich bin im Ehrenamt. Da erwarte ich einfach mehr Respekt. Nicht nur mir als Mensch gegenüber, sondern auch dem Amt gegenüber. Und das fehlt", sagt Rupert Fiehl.
Warum der Ton schärfer wird
Der 59-Jährige Speditionskaufmann und Verkehrsfachwirt Rupert Fiehl fing 2014 als Bürgermeister an, für die CSU. Der Gemeinde Kleinaitingen im Landkreis Augsburg ging es gut, es gab viel zu tun für Bürgermeister und Verwaltung. Irgendwann aber, sagt Fiehl, wurde der Ton schärfer. Immer öfter sei er persönlich angegangen worden, im Gemeinderat, bei Bürgertreffen, schon wegen Kleinigkeiten habe es Zoff gegeben. "Das entwickelt sich so mit der Zeit, manchmal überlegt man, was eigentlich der wirkliche Ursprung war, oft wegen Personalthemen."
Der Bürgermeister wandte sich an die Anlaufstelle der Generalstaatsanwaltschaft in München, die sich speziell um Hatespeech-Attacken auf Politiker und Amtsträger kümmert. Der zuständige Staatsanwalt habe sofort zurückgerufen, erzählt Fiehl. Aber seine Anzeige wegen übler Nachrede sei im Sande verlaufen. "Das geht einem schon unter die Haut. Das ist so ein Punkt, da fühle ich mich wenig geschützt", meint Fiehl.
Leichenwagen vor der Tür: "Da war das Maß voll"
Besonders schlimm wird es für den 59-Jährigen, als ein Bürger immer wieder verschiedene Fahrzeuge vor dem Wohnhaus des Bürgermeisters abstellt - mutmaßlich, um Druck auszuüben, damit eine andere Straße verkehrsberuhigt wird. Eine sehr spezielle Art von Mobbing, meint Rupert Fiehl: "Das ist eskaliert, als irgendwann mal ein Leichenwagen vor der Tür gestanden ist." Da sei für ihn das Maß voll gewesen: "Was hier im Rathaus ist, kann ich meistens aushalten. Aber daheim springen drei Enkelkinder herum."
Landrat sorgt sich um die Zukunft
Für den Augsburger Landrat Martin Sailer (CSU) bildet der Fall eine bedenkliche Entwicklung ab: "Wir können es nicht allen recht machen. Aber die Demokratie lebt davon, dass man um gemeinsame Lösungen ringt, dass dann aber am Ende des Tages vielleicht auch eine Mehrheit entscheidet und die, die überstimmt werden, müssen es ein Stück weit akzeptieren." Ihm mache vor allem Sorge, ob in Zukunft überhaupt noch gute Kandidatinnen und Kandidaten bereit seien, sich ehrenamtlich in der Kommunalpolitik zu engagieren, sagt Sailer.
Schnelle Hilfe durch Meldestelle der Generalstaatsanwaltschaft
Mit dem Online-Meldeverfahren soll Betroffenen gerade in Bezug auf Hetze im Internet schneller geholfen werden. Sie erhalten einen Webzugang bei der Münchner Generalstaatsanwaltschaft und können dort Screenshots oder Emails einspeisen. Die Ermittler prüfen umgehend, ob ein Strafverfahren eröffnet wird. An deren Ende stehen zum Teil durchaus empfindliche Strafen, wegen Beleidigung oder Volksverhetzung etwa.
Für einen Social-Media-Beitrag an die Adresse eines dunkelhäutigen Kommunalpolitikers mit den Worten "Gehört in den Zoo, ins Affengehege" musste der Verfasser mehrere tausend Euro Geldstrafe zahlen; ein anderer Hass-Emailschreiber wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt, weil er unter anderem dazu aufgerufen hatte, das Haus einer Politikerin Brand zu stecken. Laut David Beck, dem Hate-Speech-Beauftragten der Generalstaatsanwaltschaft, sei die Rückfallquote der Täter gering, sobald ein Fall aktenkundig geworden ist.
Das sind die aktuellen Zahlen
Im Jahr 2024 wurden in Bayern 170 politisch motivierte Straftaten gegen kommunale Amts- und Mandatsträger registriert, darunter 14 Gewaltdelikte, weist die Bilanz des Landeskriminalamts aus. "Und viele Fälle werden nicht einmal angezeigt. Das ist inakzeptabel", kritisiert der Landtagsabgeordnete Andreas Birzele (Grüne) aus Gröbenzell, der die entsprechende Anfrage gestellt hatte. Die neuesten Zahlen würden zeigen, dass "Bedrohungen, Hass und Übergriffe" inzwischen für viele Bürgermeisterinnen, Gemeinderätinnen und Ehrenamtliche zum Alltag gehörten, so Birzele. Er fordert daher mehr Aufklärung und Unterstützung für Betroffene. Schnelle Info gibt es dazu unter bayern-gegen-hass.de [externer Link].
Kommunalpolitik – Nein Danke?
Bürgermeister Rupert Fiehl jedenfalls wird bei der Wahl im Frühjahr nicht mehr antreten. Tipps für seinen Nachfolger hat er keine: "Vielleicht ist das ja einer, an dem das alles abprallt." Er sei vielleicht auch mit den Jahren dünnhäutiger geworden. Aber das, was ihm widerfahren sei an übler Nachrede, Schmähung und Beleidigung, das wolle er nicht weiter nicht aushalten müssen.
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