Der Kirchenstreit von Hauzenberg im Kreis Passau hält an. Das Bistum wirft dem dortigen Pfarrer schwerwiegendes Fehlverhalten in der Jugendarbeit vor. Es soll um Alkohol-Exzesse mit Minderjährigen gehen. So soll der Pfarrer beispielsweise auf einer kirchlichen Freizeit 18 Flaschen Wodka mitgebracht und den Alkohol auch Minderjährigen angeboten haben. Darüber hinaus gab es laut Bistum "auch weitere strafrechtlich relevante Vorwürfe".
Nun hat die Staatsanwaltschaft festgestellt, dass es keinen Anfangsverdacht für eine konkrete Straftat gibt. Dennoch rumort es in der Bayerwald-Stadt.
Staatsanwaltschaft und Verteidiger sehen keinen Straftatbestand
Die Passauer Staatsanwaltschaft sieht zum aktuellen Zeitpunkt keine Hinweise auf eine Straftat, teilte ein Behördensprecher BR24 am Mittwoch mit. Es laufe ein Vorermittlungsverfahren. Das Bistum Passau hatte die Ermittler eingeschaltet, weil es im vergangenen Jahr Hinweise über Alkoholkonsum mit Minderjährigen erhalten hatte.
Der Verteidiger des betroffenen Pfarrers weist die Vorwürfe nach wie vor zurück. Er begrüßte die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft: Der Pfarrer habe sich "nichts zuschulden kommen lassen".
Großer Rückhalt für den freigestellten Pfarrer
Ein Großteil der Gemeinde steht weiter hinter dem Geistlichen. Die Onlinepetition "Lassen Sie Pfarrer Alexander Aulinger als Pfarrer bleiben" wurde seit vergangenem Freitag von mehr als 10.000 Personen unterzeichnet. Die Initiatorin der Petition spricht von falschen Anschuldigungen. Der Pfarrer sei "eine Schlüsselfigur bei der Heranführung junger Menschen an die Kirche und den Glauben in moderner Form".
Andere Gläubige finden die Absetzung des Pfarrers richtig und fordern den Bischof auf, sich schützend vor angefeindete Gemeindemitglieder in Hauzenberg zu stellen.
Aufarbeitungskommission "irritiert" von Solidarität
Betroffenenbeirat und Aufarbeitungskommission – beide Gremien begrüßten die Absetzung des Hauzenberger Pfarrers ausdrücklich. Guido Pollak, der Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission (UAK) des Bistums Passau sagte im BR-Interview, der zuständige Bischof Oster hätte sogar noch früher reagieren müssen, nämlich als bereits im vergangenen Jahr klar war, dass Aulinger als Seelsorger mit Jugendlichen zu viel Alkohol trinke.
Pollak warnte bereits in einem zuvor gegebenen Interview davor, die Vorwürfe auf die leichte Schulter zu nehmen: "Wenn Fehlverhalten vorliegt, wenn Alkoholmissbrauch vorliegt, dann kann man das nicht damit abtun, dass wir halt in Niederbayern sind und in Sportvereinen auch getrunken wird", sagte Pollak.
Für seine Kommission sei "schwer verständlich, wie sich eine derartige Solidarität in kürzester Zeit aufbauen kann", ohne dass eine Prüfung der Vorwürfe durch unabhängige Dritte abgewartet werde.
Passaus Bischof Oster sucht Gespräche
Neben einer strafrechtlichen Bewertung der Staatsanwaltschaft, geht es auch um rechtliche Vorgaben der katholischen Kirche, unter anderem den Verhaltenskodex des Bistums Passau (externer Link). Bischof Oster hat unterdessen einzelne Gespräche mit Menschen aus dem Pfarrverband gesucht. Ausgangspunkt seines Einschreitens sei die Sorge um den Schutz von Kindern und Jugendlichen gewesen, heißt es vom Bistum auf BR-Anfrage. Äußern wollte sich der Bischof am Donnerstag nicht.
Pollak sieht "grenzüberschreitendes Verhalten"
Es gebe im Fall Pfarrer Aulinger bislang keine Hinweise auf sexuellen Missbrauch oder sexualisierte Gewalthandlungen, die auch Strafrechtsnormen erfüllen würden, sagte Pollak am Donnerstag im Interview mit BR24. Der Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission sieht beim Hauzenberger Pfarrer jedoch grenzüberschreitendes Verhalten.
Es gebe im Vorfeld von sexuellen Übergriffen "Anbahnungsverhalten", so Pollak. "Da liegen uns tatsächlich glaubwürdige Aussagen vor, dass man da von Anbahnungsverhalten sprechen kann. Ob es dann zum schlimmsten Fall geführt hätte, das ist rein spekulativ. Da sollte man keine Spekulationen drüber anstellen."
Zeugenaussagen und Bildmaterial gesichtet
Die Kommission hat laut Pollak Belege vorgelegt bekommen – wie Zeugenaussagen, Aufnahmen und Bildmaterial. Sie zeigen ihm zufolge stark betrunkene Jugendliche, etwa im Ministrantenraum oder sogar "schwerstbetrunken" bei einem Hüttenwochenende.
Pollak sagt, es habe grenzüberschreitendes Verhalten in sprachlicher Art gegeben. Konkrete Beispiele nannte er nicht. Außerdem habe der Pfarrer beim Umgang mit den Ministranten nicht zwischen öffentlichen Räumen und seinen Privaträumen unterschieden.
Alkohol sei gerade auch bei Minderjährigen eingesetzt worden, um Nähe und Geselligkeit herzustellen. "In der Geselligkeit wird es dann aber zu nahe und vielleicht auch übergriffig", erklärte Pollak.
Pollak: "Missbrauch hat viele Facetten"
Missbrauch habe viele Facetten und da müsste die Unterscheidung zwischen kirchenrechtlichen und strafrechtlichen Dingen betrachtet werden, so Pollak weiter. Es sei zum Beispiel geistlicher Missbrauch, wenn der Pfarrer sein Amt und seine Autorität als Priester missbräuchlich einsetzt. Der Graubereich sei dann schnell erreicht und dann natürlich auch Missbrauch, der in die Nähe von strafrechtlichem Verhalten kommt.
Viele Gläubige vor Ort wütend auf Kirche
Viele Menschen vor Ort sind wütend auf die Entscheidung des Bistums, den Pfarrer freizustellen. Bei einer Demo für den Pfarrer am vergangenen Sonntag hatten zahlreiche Teilnehmer ihren Austritt aus der Kirche angekündigt. Wie die Bürgermeisterin von Hauzenberg, Gudrun Donaubauer (parteifrei) dem BR bestätigte, habe die Stadtverwaltung innerhalb von drei Tagen 56 Kirchenaustritte registriert. "Von langen Schlangen vor dem Rathaus, wie gerüchteweise zu hören war, kann nicht die Rede sein", so Donaubauer. Hauzenberg hat etwa 9.500 Katholiken.
Zelebrationsverbot seit Montag
Das Bistum erteilte dem Hauzenberger Pfarrer am vergangenen Montag ein vorläufiges Zelebrationsverbot. Zwei unabhängige Gremien hatten diesen Schritt dem Passauer Bischof einstimmig empfohlen.
Laut Bistum soll der Pfarrer Jugendliche auf kirchlichen Fahrten zu exzessivem Trinken von Alkohol verleitet haben. Gegen Personen, die den Alkohol-Exzess kritisierten, habe der Geistliche mit "Mobbing" reagiert. Die Aufarbeitungskommission empfiehlt dem Bischof nun ein Mediationsverfahren in dem Ort durchzuführen.
Mit Material von dpa und KNA
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