Ganz behutsam streicht Rudolf Hansmann einen feinen Film Firnis über ein altes Gemälde: Auf einer großen Holzplatte ist eine Mauer mit Palme zu sehen. Die Szene ist Teil eines jahrhundertealten Kulissenbaus – des sogenannten Heiligen Grabes. In der Karwoche wird es in der Erpftinger Kirche aufgebaut. Es stellt Tod und Auferstehung Jesu Christi dar und war jahrzehntelang verschwunden.
"Das muss hauchdünn sein, dass ja keine Schicht drauf kommt, aber dass die Farben wieder leuchten", erklärt Hansmann. Fast 60 Jahre habe das Bild auf dem Speicher gelegen.
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"Im Speicher oben" zwischen Altholz und Spinnweben
Nach den liturgischen Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils in den 1960er-Jahren verschwanden die Heiligen Gräber aus vielen Kirchen. Auch in Erpfting, einem Stadtteil von Landsberg am Lech, geriet das imposante Bauwerk in Vergessenheit – bis man sich 2022 auf die Suche machte.
Im Pfarrstadl fand man das Heilige Grab schließlich, unscheinbar zwischen alten Holzkisten und verstaubten Figuren. Hansmann erinnert sich: "Wir haben es abgewischt und sind erschrocken, in welch gutem Zustand das war." Trotz Holzwurmbefall, Sommerhitze und Winterfeuchte sei es erstaunlich gut erhalten geblieben.
Jubiläum mit Tiefenwirkung
Jetzt laufen die Aufbauarbeiten für das 200. Jubiläum. In der Kirche herrscht reges Treiben. Eine Anleitung gibt es nicht – Koordination ist gefragt. Hubert Ludwig ist verantwortlich für den Aufbau: "Die Schrauben sind 100 Jahre alt, mit selber gemachten Köpfen. Die Gewinde sind nicht mehr optimal und jetzt müssen wir sie bisschen beilegen."
Trotzdem greifen die Holzteile perfekt ineinander. Der Torbogen ist in mehreren Lagen aufgebaut, um eine beeindruckende Tiefenwirkung zu erzeugen. Zwei römische Wachen mit Helm, Schild und Lanze bewachen das Grab. Im Innern: der Grabstein, der sich über eine Rollschiene öffnen lässt.
"Ich finde toll, dass das so alt ist" – Kinder bringen Farbe
Auch die Kinder aus dem Dorf sind beteiligt. Sie befüllen sogenannte Schusterkugeln mit Wasser. Lorenz erklärt: "Das sind Schusterkugeln, die füllt man mit Wasser und färbt es ein." Lena ergänzt: "Dann kommt dahinter ein kleines Licht und es wird heller. Ich finde toll, dass das so alt ist und dass man es jetzt wieder aufbaut."
Früher wurden die Glaskugeln von Kerzenlicht erleuchtet – als Vorläufer der Glühbirne. Heute übernehmen LEDs diese Aufgabe, doch der leuchtende Effekt ist geblieben, faszinierend, wie damals.
Erinnerung an eine Kindheitstradition
Für Rudolf Hansmann ist die Wiederentdeckung ein Stück Kindheit: "Das Highlight war für die Jugendlichen und Kinder, die Kugeln im Dorfbrunnen mit Wasser zu füllen. Es sind aber viele dabei kaputtgegangen."
Der Aufbau des Heiligen Grabes dauert den ganzen Tag. Doch am Ende ist alles bereit. Die Christusfigur aus dem 15. Jahrhundert steht im Zentrum, die bunten Kugeln leuchten, das Grab ist montiert und lässt sich öffnen und schließen.
Von Karfreitag bis Ostersonntag – Ein Bild des Glaubens
Am Karfreitag liegt der Leichnam Jesu im offenen Grab, das später verschlossen wird. Und am Ostersonntag erscheint der auferstandene Christus. Ein jahrhundertealter Brauch, mit viel Engagement neu entdeckt.
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