Bereits am Vormittag herrscht reges Treiben im Jüdischen Museum an der Halderstraße. Eine Schulklasse aus Marktoberdorf ist gerade zu Gast bei einer Führung durch die Museumsräume und die angrenzende Synagoge. "Die Jugendlichen haben sehr interessante Fragen gestellt, waren aufmerksam dabei", berichtet Lehrerin Katharina Bayeridiena. "Wir nehmen viel mit nach Marktoberdorf."
Lebendige Geschichte
Bis zu sechs Klassen aus ganz Schwaben und dem angrenzenden Oberbayern kommen jeden Tag in die Dauerausstellung – und tauchen ein in die jüdische Geschichte und Lebenskultur. Das Museum ist direkt mit der prachtvollen Jugendstilsynagoge verbunden. "Wir sind die einzige wiedereröffnete historische Synagoge, die auch in Betrieb ist", erklärt Museumsleiterin Carmen Reichert. "Es ist etwas ganz Besonderes, dass hier eine aktive Gemeinde lebt und ihr Museum untergebracht ist."
Ein Hausschlüssel als Symbol für den Verlust der Heimat
In Schwaben, einst ein Rückzugsgebiet für Juden nach ihrer mittelalterlichen Verfolgung, blühten jüdische Landgemeinden auf. Orte wie Oettingen, Harburg, Fischach oder Ichenhausen entwickelten sich zu Zentren des christlich-jüdischen Zusammenlebens.
Das Museum verwahrt viele Erinnerungsstücke dieser Familien: Da ist der große dicke Hausschlüssel, den eine jüdische Familie aus Binswangen auf ihrer Flucht mitgenommen hat, in der Hoffnung, irgendwann wieder nach Hause zurückzukehren. Da ist die Kaffeekanne aus dem Kaufhaus der Familie Landauer, deren Geschäft einst weit über Augsburg hinaus bekannt war, da ist das Schwarzweiß-Foto der kleinen Gertrude Lammfromm, die mit ihrer Familie emigrieren musste und in den USA dann einen der größten Sportartikelkonzerne des Landes aufbaute. Jedes Exponat erzählt eine Geschichte, sagt Museumsleiterin Carmen Reichert.
40 Jahre "Pionierarbeit": Museum feiert Jubiläum
Das Museum, das aus der Idee des damaligen Gemeindepräsidenten Julius Spokojny entstand, wurde 1985 als erstes selbstständiges Jüdisches Museum in Deutschland eröffnet. Sein Ziel: das kulturelle Erbe der jüdischen Gemeinde und der Synagoge zu sichern.
40 Jahre Jüdisches Museum sind so am Mittwochabend in Augsburg gefeiert worden. Josef Schuster vom Zentralrat der Juden in Deutschland sagte in seiner Festrede, Spokoiny habe mit der Einrichtung des Museums einen "Erinnerungsort" geschaffen für die jüdische Religion und Kultur und damit echte Pionierarbeit geleistet. Schuster beklagte auch, dass an Synagoge und Museum "erhebliche polizeiliche Schutzmaßnahmen nötig" seien: "Es kann die Hoffnung nur bleiben, dass die Situation kommt, dass sich das bessert."
Immer wieder Vorfälle von Vandalismus und Antisemitismus in Synagoge
Sorgen macht auch den Museumsmachern, dass immer wieder Hakenkreuze in die Bänke der Synagoge eingeritzt werden. "Wir dachten erst, das sind Schüler", sagt Carmen Reichert noch vor dem Festakt. Deshalb wurde die Empore für Gruppen gesperrt – doch die Hakenkreuze tauchen immer noch auf. "Daher kann man nicht sagen, ob es nicht doch tatsächlich Erwachsene waren, die das wirklich mit Vorsatz gemacht haben", meint Reichert. Umso wichtiger sei ihr der Gründungsgedanke des Museums: "Dass man ganz demokratisch versucht, alle Teile der Gesellschaft anzusprechen."
Neue Pläne im Zuge der Generalsanierung
Mit Blick auf die Zukunft plant das Museum im Zuge der laufenden Generalsanierung des gesamten Gebäudes auch eine Neugestaltung der Dauerausstellung und den Bau eines neuen Pavillons für Wechselausstellungen und Workshops. "Wir freuen uns besonders auf eine 'Reunion' im Frühjahr 2026", verrät Carmen Reichert. Dann werden Nachkommen jüdischer Bürger aus den USA nach Augsburg kommen und Erinnerungsstücke mitbringen, die im Museum gezeigt werden.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!
