Als Folge des mutmaßlichen Gablinger JVA-Skandals soll die längere Unterbringung von Häftlingen in Spezialzellen künftig von Richtern genehmigt werden. Konkret geht es um die sogenannten "besonders gesicherten Hafträume", kurz bgH. In diesen Zellen sollen in der JVA Gablingen Gefangene grundlos und komplett nackt eingesperrt worden sein, teils über Wochen.
Richter sollen Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen anordnen
Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) kündigte nun ein Gesetzespaket an, das die Unterbringung in den bgH-Zellen unter Richtervorbehalt stellt: "Bei der Unterbringung in den besonders gesicherten Hafträumen ohne gefährdende Gegenstände handelt es sich um einen äußerst grundrechtssensiblen Bereich. Ich halte es daher für notwendig, mit dem Richtervorbehalt eine Kontrollinstanz zur Überprüfung der Maßnahmen nach 72 Stunden einzuführen."
Pilotprojekt soll Suizidpräventionsräume erproben
Angedacht sei künftig auch eine "Überwachung aus medizinischen Gründen“. Laut Eisenreich sollen "besondere Schutzräume" als neue Kategorie und milderes Mittel zur bgH-Unterbringung geschaffen werden. Darüber hinaus kündigte Eisenreich an, die bestehenden Empfehlungen für den Bau von bgH-Räumen hinsichtlich Lage, Größe, Bodenbelag, Wänden und Fenstern zu überarbeiten.
Auch werde in München eine neue psychiatrische Abteilung geschaffen – neben den beiden bestehenden Abteilungen in den Gefängnissen Straubing und Würzburg. Zudem will Eisenreich die Kooperationen zwischen psychiatrischen Kliniken und den Justizvollzugsanstalten ausbauen. In zwei Justizvollzugsanstalten würden Suizidpräventionsräume im Rahmen eines Pilotprojekts erprobt.
Gefängnisse haben mit suchtkranken Gefangenen zu kämpfen
Auch werde das bestehende Angebot der Telemedizin um die Telepsychotherapie erweitert. Dabei werden Häftlinge in virtuellen Therapiestunden betreut. Laut dem bayerischen Justizministerium wurde der Justizvollzug insbesondere in den letzten Jahren mit einem spürbaren Anstieg der Zahl psychisch auffälliger Gefangener konfrontiert. Grund dafür seien zum Teil psychische Erkrankungen.
Ein Teil der psychischen Auffälligkeiten sei auf die Abhängigkeit von Suchtmitteln zurückzuführen. Rund 53 Prozent aller bayerischen Gefangenen hatten demnach zuletzt einen Suchtmittelhintergrund. "Wir brauchen aber auch eine Debatte darüber, was der Justizvollzug – auch vor dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen, demographischen und wirtschaftlichen Entwicklungen – leisten kann und was nicht", so Eisenreich weiter.
Ermittlungen gegen Bedienstete der JVA Gablingen
Im Fall der JVA Gablingen steht neben missbräuchlicher bgH-Unterbringung auch der Vorwurf willkürlicher Gewalt gegen Gefangene im Raum. Wie der BR recherchiert hat, gehen die Vorwürfe bis hin zu Knochenbrüchen.
Neben den mutmaßlichen Übergriffen in Gablingen spielen auch die Vorfälle in der benachbarten JVA Neuburg-Herrenwörth eine Rolle. Wie BR-Recherchen zeigten, soll es auch in Neuburg zu massiven Übergriffen durch Gablinger Beamte gekommen sein, die in dem Jugendgefängnis eine Drogenrazzia unterstützten. Häftlinge sollen gewürgt und geschlagen worden sein.
Insgesamt wird in der Causa rund 150 Verdachtsfälle nachgegangen. Ermittelt wird gegen 18 Bedienstete der JVA Gablingen, darunter die damalige Leitung der JVA. Die Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück.
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