Für den Weltklasse-Paddler Noah Hegge ist es ein Desaster, wieder mal: Anfang der Woche wurde die Dachschleuse am Eingang des Augsburger Eiskanals geschlossen. Der Lech führte nicht genügend Wasser, um auch die Kanustrecke zu fluten. Kurz vor dem Weltcup konnten weder Hegge noch die rund 800 anderen Augsburger Kanu-Sportler dort trainieren.
"Wir brauchen Wildwasser, um auf höchstem Niveau trainieren zu können. Ohne Wasser verlieren wir im internationalen Vergleich den Anschluss", mahnt der Bronze-Medaillen-Gewinner von Paris 2024. Sein Ziel – Gold in Los Angeles 2028 – rückt mit jedem fehlenden Trainingstag in weitere Ferne.
Massive Zunahme der Trockentage
Der Eiskanal gilt seit Jahrzehnten als Medaillenschmiede: Er ist Bundesleistungszentrum und Aushängeschild der Sportstadt Augsburg. Doch immer häufiger bleibt die Strecke trocken. Zur Halbzeit der laufenden Saison wurden Ende Juni bereits über 75 Trainingstage abgesagt. Das ist mehr als in den kompletten Saisons 2022 und 2023, die auch schon wasserarm waren.
"Wenn uns diese Wettkampfstrecke wegfällt, kann man den Standort eigentlich zu machen", damit machte Kanu-Bundestrainer Klaus Pohlen schon im April Schlagzeilen.
Im Video: Wie Augsburg den Olympia-Eiskanal retten will
Die Olympia-Strecke am Augsburger Eiskanal leidet unter zunehmender Trockenheit. Kanu-Bundestrainer Klaus Pohlen drängt auf Lösungen.
Künstliches Gewässer mit natürlichem Gefälle
Der Eiskanal speist sich aus dem Lech und ist damit Teil des historischen Augsburger Wassermanagement-Systems, das seit 2019 UNESCO-Welterbe ist. Über das Stauwehr "Hochablass" wird das Wasser in die Stadtbäche umgeleitet und verteilt – ohne elektrische Pumpen. Das System funktioniert aber nur, wenn der Lech genügend Wasser führt. Das ist immer seltener der Fall: Im Frühjahr gibt es weniger Schneeschmelze, die Sommer werden trockener – Folgen des Klimawandels, die die Sportler zu spüren bekommen.
Energieproduktion vs. Wildwassersport
Verschärft wird das Problem durch die Wasserkraftwerke am Lech. Der einstige Wildfluss ist heute ein Industriegewässer zur Stromerzeugung: Zwischen dem Forggensee bei Füssen und der Lechstaustufe 23 am Mandichosee kurz vor Augsburg betreibt der Energiekonzern Uniper insgesamt 23 Wasserkraftwerke zur Energieerzeugung. Damit versorgt er nach eigenen Angaben 350.000 Haushalte mit klimafreundlicher Energie und spart jährlich rund 650.000 Tonnen CO₂.
Die Stromproduktion habe Vorrang vor dem Sport, erklärt Sprecher Theodoros Reumschüssel: "Der Eiskanal hat eben keine Turbine und produziert keinen Strom. Aber wenn genug Wasser da ist, liefern wir es auch in den Eiskanal."
Drohendes PR-Desaster für die Stadt
Schon die Weltmeisterschaft 2022 stand kurz vor dem Fiasko. Der Eiskanal war gerade für rund 22 Millionen Euro saniert worden, unmittelbar vor den Wettkämpfen führte der Lech aber nicht genügend Wasser. "Das war ein echter Schreckmoment. Wir wussten nicht, ob wir die WM überhaupt durchführen können", erinnert sich Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU). Das Horrorszenario für die Stadt, deren Kanuten weltweit für Furore sorgen, ist aber letztlich ausgeblieben.
Taskforce erarbeitet Lösungen mit Schleusen und Pumpen
Direkt im Anschluss wurde eine Taskforce gebildet, um den Eiskanal fit für die Zukunft zu machen. Erste Ergebnisse zeigen: Unumgänglich sind wohl ein bis zwei neue Wehre, die das Wasser präziser lenken. Sicherheit könnte aber nur ein Pumpensystem geben, das das Wasser am Ende der Strecke sammelt und in die Stadt zurückpumpt.
Mit ein bis zwei Wehren möchte Augsburg den Eiskanal fit für die Zukunft machen. Zusätzlich könnte ein Pumpensystem nötig sein.
Rückenwind durch Olympia-Bewerbung 2040
Eine Lösung mit Schleusen und Pumpanlage am Eiskanal würde laut Oberbürgermeisterin Weber rund sieben Millionen Euro kosten – nach heutigen Prognosen. "Das ist eine Stange Geld", räumt sie ein und hofft auf Unterstützung des Freistaats: "Bayern ist Sportland. Wir werden sicherstellen, dass unsere Leistungszentren zukunftsfähig sind."
Rückenwind gibt die mögliche Olympia-Bewerbung Münchens für 2040. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betont, dass dazu vorhandene Sportstätten wie der Eiskanal im Vordergrund stünden. Bronze-Gewinner Noah Hegge hofft auf eine schnelle Umsetzung: "Wir müssen die Sportlerinnen und Sportler von morgen ja schon heute ausbilden, damit sie 2040 erfolgreich sind." Ist das Projekt einmal beschlossen, wird der Bau voraussichtlich rund vier Jahre dauern.
Grünes Licht für Weltcup-Finale am Wochenende
Kurzfristig gibt es gute Nachrichten: Uniper hat pünktlich zum Weltcup wieder die Schleusen geöffnet, das Weltcup-Finale am Wochenende kann stattfinden (zum BR-Livestream). Die Stadt und der Standort haben ein PR-Desaster einmal mehr vermieden. Doch klar ist: Der Kampf ums Wasser hat gerade erst begonnen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!