Archivbild: Im Oktober 2024 überreichten Sozialministerin Scharf und Ministerpräsident Söder der Familie des einmillionsten Kindes einen symbolischen Familiengeldscheck in Höhe von 7.200 Euro
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Archivbild: Sozialministerin Scharf und Ministerpräsident Söder überreichen einen symbolischen Familiengeldscheck
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Keine Zahlungen an Eltern: CSU bricht mit ihrer Familienpolitik

Keine Zahlungen an Eltern: CSU bricht mit ihrer Familienpolitik

Eine Wahlfreiheit für Familien bei der Kinderbetreuung war lange Jahre Kern der CSU-Familienpolitik. Zahlungen an Eltern sollten Kinderbetreuung daheim erleichtern. Mit dem Aus des Kinderstartgelds nimmt die CSU davon Abschied. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 TV am .

Bayerns Familienministerium hat noch Arbeit vor sich, um seine Internetseite an die jüngsten Beschlüsse der Staatsregierung anzupassen. Unter dem Punkt "Familienland Bayern" ist zu lesen: "Wir erkennen die Erziehungsleistung der Eltern an und Wertschätzung wird spürbar. Das bayerische Familiengeld steht für Wahlfreiheit." Vom Familiengeld in seiner ursprünglichen Form in Höhe von 6.000 bis 7.200 Euro pro Kind hatte sich die Staatsregierung schon vor einem Jahr verabschiedet. Nun wird auch das stattdessen geplante Kinderstartgeld (3.000 Euro) gestrichen.

Abkehr von Koalitionsvertrag und CSU-Familienpolitik

Diese Mittel sollen, statt an Eltern zu fließen, den Kitas zugutekommen, um dort die Betriebskostenlücke zu schließen. Kommunen und Kita-Träger jubeln, weil ihnen die Finanzierung der Einrichtungen schon lange große Sorgen macht. Grüne und SPD sehen sich in ihrer grundsätzlichen Kritik an einer Leistung nach dem Gießkannenprinzip bestätigt, monieren aber das abrupte Aus. Eltern sammeln mit Online-Petitionen Unterschriften dagegen.

Was im Wirbel unterging: Die Entscheidung ist nicht nur eine Abkehr vom Koalitionsvertrag, in dem CSU und Freie Wähler sich zum Familiengeld bekannt hatten, sondern auch von einem Pfeiler der CSU-Familienpolitik der letzten zwei Jahrzehnte: Zahlungen an Eltern sollten Kinderbetreuung daheim erleichtern.

"Traditionelles Familienbild unterstützen"

Es war Edmund Stoiber, der sich 2007 als CSU-Chef in der damaligen Großen Koalition in den Kampf um ein bundesweites Betreuungsgeld stürzte, das er zur Bedingung für den Krippenausbau machte. "Der Staat kann nicht nur eine Lebensform fördern", sagte der damalige CSU-Generalsekretär Markus Söder. "Es geht auch darum, das traditionelle Familienbild zu unterstützen." Demnach sollten Eltern von Kleinkindern wählen können, ob sie einen staatlich geförderten Betreuungsplatz in Anspruch nehmen oder ihr kleines Kind daheim betreuen – und dafür staatliches Geld erhalten.

Horst Seehofer, ab 2008 CSU-Vorsitzender, führte den Kampf fort. Ein Jahrzehnt lang trug die CSU das Betreuungsgeld als bundespolitisches Anliegen vor sich her. Neben der Pkw-Maut für Ausländer erregte wohl keine andere CSU-Forderung so viel Widerspruch. Kritiker verspotteten das Betreuungsgeld als "Herdprämie".

Betreuungsgeld vom Bundesverfassungsgericht gekippt

Gegen erbitterte Widerstände setzte die CSU die Leistung erst in der schwarz-gelben Koalition und dann 2012 auch im Bundestag durch, bis sie 2015 vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. Dafür führte die Staatsregierung 2016 ein bayerisches Betreuungsgeld (150 Euro im Monat) ein.

Als Söder 2018 Ministerpräsident wurde, reformierte er die Leistung – und stockte sie auf: Statt des Betreuungsgelds für Kinder ohne Krippenplatz und des Landeserziehungsgelds für einkommensschwache Haushalte kam das Familiengeld für alle Eltern (250 Euro im Monat). "Wir finden es gut, wenn jemand zu Hause bleibt. Genauso gut ist es, wenn sich eine Mutter für einen schnellen Wiedereinstieg in die Berufstätigkeit entscheidet", sagte Söder. Das Familiengeld unterstütze diese Wahlfreiheit.

Im CSU-Grundsatzprogramm verankert

Die Wahlfreiheit ist in allen seit 2007 beschlossenen Grundsatzprogrammen der CSU verankert. Im jüngsten von 2023 steht: "Mit dem bayerischen Familiengeld unterstützen wir die Erziehungsleistung der Eltern und ermöglichen ihnen, Kinder in echter Wahlfreiheit selbst zu erziehen."

Künftig gibt es keine Direktzahlungen mehr. Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) will das im BR-Interview keineswegs als Abschied vom CSU-Markenkern verstanden wissen: "Überhaupt nicht! Eltern wissen am allerbesten, was für sie, für ihre Kinder, für ihre Familie wichtig ist." Wenn sie mit Eltern spreche, höre sie aber, dass eine verlässliche Kinderbetreuung entscheidend sei. Ohne die "harte Entscheidung" der CSU/FW-Koalition wäre laut Scharf die Existenz von Kitas gefährdet gewesen. Auch ein ausgeglichener Haushalt sei wichtig für die junge Generation. Dennoch hätten Familien nach wie vor Wahlfreiheit und könnten selbst über die Art der Betreuung entscheiden.

Familienbund der Katholiken: Von echter Wahlfreiheit verabschiedet

Die bayerische Landesvorsitzende des Familienbunds der Katholiken und unterfränkische CSU-Kommunalpolitikerin Gerlinde Martin sieht das anders: Die Staatsregierung habe sich nach Ansicht ihres Verbands "faktisch leider von einer echten, wahlfreiheitlichen Familienpolitik verabschiedet", kritisiert die CSU-Bezirks-, -Kreis- und -Stadträtin.

In einem Brief an Scharf habe sie die Enttäuschung und den Ärger des Familienbunds deutlich gemacht. "Die Streichung des Kinderstartgeldes mit dem Finanzbedarf der Kitas zu begründen, spielt die außerfamiliäre Kinderbetreuung und die Eltern gegeneinander aus." Genau das wollte die CSU in den vergangenen beiden Jahrzehnten eigentlich verhindern.

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