In den vergangenen Wochen lag in vielen Briefkästen bayerischer Protestanten ein Erinnerungsschreiben mit der Bitte, Kirchgeld zu zahlen. Zwischen fünf und 120 Euro sollen Gemeindeglieder überweisen – zusätzlich zur Kirchensteuer. Für manche ist das Anlass für Ärger, berichtet Pfarrer Eberhard Hadem aus Pfaffenhofen im mittelfränkischen Roth: "Da genügen die ersten Zahlen des Kirchgeldbriefs und er landet in der Ablage. In der großen Ablage, einfach Abfall."
Was hinter dem Kirchgeld in Bayern steckt
Das Kirchgeld wird in Bayern und Baden-Württemberg zusätzlich erhoben. Die Kirchensteuer liegt hier bei acht statt - wie im Rest Deutschlands - neun Prozent der Lohn- und Einkommensteuer. Anders als die Kirchensteuer fließt das Kirchgeld direkt an die örtliche Gemeinde, die eigenständig entscheidet, wofür das Geld verwendet wird.
Historisch geht die Abgabe auf sogenannte Ortsumlagen im 19. Jahrhundert zurück. Das allgemeine Kirchgeld in seiner heutigen Form gibt es seit 1934, der Kirchensteuersatz von acht Prozent wurde in Bayern 1949 festgelegt. Damit stehen beide Systeme unabhängig nebeneinander.
Kirchgeld als direkte Unterstützung der Gemeinden
In der Gemeinde Roth-Pfaffenhofen zahlt nach Angaben von Pfarrer Hadem nur knapp die Hälfte der Mitglieder Kirchgeld. Zum Haushalt der Kirchengemeinde trägt es dort rund ein Prozent bei.
Ganz anders im oberbayerischen Holzkirchen: Dort bringt das Kirchgeld rund 16 Prozent des Gemeindehaushalts ein. Pfarrerin Ulrike Lorentz führt das vor allem auf Transparenz zurück. Die Gemeinde legt offen, wohin das Geld fließt – und gewinnt so Vertrauen.
Projekte vor Ort zeigen Wirkung des Kirchgelds
Mit den zusätzlichen Mitteln finanziert die Holzkirchner Gemeinde unter anderem Konfirmandenarbeit, Trauerbegleitung und Angebote für verschiedene Zielgruppen. Ein Beispiel ist "Toms Café": Jeden Mittwoch verwandeln Ehrenamtliche den Gemeindesaal in ein inklusives Café, in dem unter anderem Senioren, Geflüchtete und Menschen mit Behinderung zusammenkommen.
Ohne das Kirchgeld könnten viele dieser Projekte nach den Worten von Lorentz nicht in diesem Umfang angeboten werden. "Wenn wir jetzt nur die normalen Zuweisungen der Landeskirche für den laufenden Betrieb hätten, dann müssten wir im Moment eigentlich viele der Projekte eigentlich einstellen oder müssten sie drastisch zurückfahren."
Wer zahlt Kirchgeld – und wie reagieren die Menschen?
Eigentlich ist das Kirchgeld eine Steuer und damit Pflicht. Wer es nicht überweist, muss allerdings nicht mit Sanktionen rechnen. Das führt dazu, dass manche verärgert reagieren oder das Schreiben ignorieren. Hadem beobachtet: Je weniger Bindung zur Gemeinde, desto größer das Gefühl, die Kirche wolle "mal wieder nur Geld".
Allgemeines Kirchgeld: regionale Unterschiede und Motivation
Die Erträge aus dem allgemeinen Kirchgeld werden laut der Pressesprecherin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Christine Büttner, auf Dekanatsebene erfasst. Unterschiede ergeben sich vor allem aus der Zahl der kirchgeldpflichtigen Mitglieder und dem jeweiligen wirtschaftlichen Umfeld.
Sie macht zugleich klar: Gemeinden, die sichtbar machen, welche konkreten Aktivitäten und Projekte sie mit dem Kirchgeld finanzieren, erzielen in der Regel höhere Einnahmen als Gemeinden, die das nicht tun.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.
