Ein Milchbauer mit Milchkanne im Kuhstall.
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Die Gemeinde Apfeldorf will sich komplett selbst versorgen, aus erneuerbaren Quellen. Neuestes Puzzleteil: Abwärme aus Kuhmilch. (Symbolbild)
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Die Gemeinde Apfeldorf will sich komplett selbst versorgen, aus erneuerbaren Quellen. Neuestes Puzzleteil: Abwärme aus Kuhmilch. (Symbolbild)

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"Kuhl Energy": Abwärme aus Milch soll Dorf heizen

"Kuhl Energy": Abwärme aus Milch soll Dorf heizen

Die Gemeinde Apfeldorf in Oberbayern arbeitet am Projekt Energie-Autarkie, will sich komplett selbst versorgen, aus erneuerbaren Quellen. Neuestes Puzzleteil der Strom- und Wärmeversorgung: Abwärme aus Kuhmilch für ein kommunales Wärmenetz.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Nicht mal einen Kilometer entfernt von Reichling, wo gerade eine umstrittene Probebohrung nach Erdgas durchgeführt wurde, arbeitet die Gemeinde Apfeldorf am Projekt Energie-Autarkie – komplett aus erneuerbaren Quellen. Neuestes Puzzleteil: Abwärme aus Kuhmilch. Sie soll bald die Versorgung des Wärmenetzes im Ortsteil Apfeldorfhausen ergänzen.

Forscher nennt Wärme aus Milch "sehr innovativ"

Aktuell installieren Arbeiter eine Anlage, die das Wärmenetz und die Milchleitungen auf dem Hof von Bauer Thomas Schertich über Wärmetauscher miteinander koppeln. So laufe die Milch seiner 120 Kühe "schon deutlich kühler in den Tank", sagt er. Bisher werde sie "mit Energieaufwand von unserer Seite gekühlt". Die Kosten dafür spart er jetzt ein. Und aus den Einnahmen des Wärmenetzes bekomme er auch noch einen "geringen Obolus". Stefan Bosch von der Universität Augsburg, der unter anderem zu Energieplanung und Energietransformation forscht, erklärte im Gespräch mit dem BR, dass etwa die Wärmegewinnung aus Abwasser nach demselben Prinzip schon verbreiteter sei. Wärme aus Kuhmilch in Wärmenetze zu leiten, sei "sehr innovativ".

Kombination mit Wärmepumpe

Das "Kuhl Energy" genannte Projekt ist ein weiterer Baustein auf dem Weg hin zur Energie-Autarkie der Gemeinde, die Bürgermeister Gerhard Schmid (Überparteiliche Einheitsliste / CSU) anstrebt. So wurde parallel bereits eine Erdwärmepumpe installiert, die immer dann anspringen soll, wenn die Wärme aus der Kuhmilch nicht mehr ausreicht, um die angeschlossenen Haushalte zu versorgen. Angetrieben wird sie vom Strom aus der 13 Hektar großen Freiflächen-Photovoltaikanlage, die vergangenes Jahr in Betrieb gegangen ist.

Bei Photovoltaik fehlt oft die Akzeptanz

Beim Solarstrom sieht Wissenschaftler Bosch einen wichtigen Baustein und auch noch großes Potenzial in Bayern, um Kommunen energieunabhängig zu machen. Allerdings fehle es oft an der Akzeptanz in der Bevölkerung, "weil der Flächenverbrauch sehr groß ist". Es gebe aber immer mehr innovative Möglichkeiten, landwirtschaftliche Nutzung und Energieerzeugung auf derselben Fläche zu kombinieren, um dieses Problem zu entschärfen.

Die Apfeldorfer Solaranlage erzeuge schon jetzt mehr Strom, als die rund 1.200 Einwohner verbrauchen, sagt Bürgermeister Schmid. Und: "Wir können den Strom, der hier produziert wird, sowohl elektrisch als auch thermisch, zu 90 bis 95 Prozent nutzen. Das entlastet dann erstens die regionalen Netze und sorgt für eine Wertschöpfung im Ort".

Wärme aus Grundwasser – Kühlung für den Fluss

Damit die Gemeinde auch dann Strom und Wärme hat, wenn die PV-Anlage wenig oder keinen Strom erzeugt, kommen weitere Komponenten hinzu: So zapfen drei sogenannte Wasser-Wasser-Wärmepumpen überschüssiges Grundwasser an, das sonst ungenutzt in den Lech laufen würde, und entziehen dem Wasser dabei sechs Grad Wärme. Allein diese Anlage, die ein integriertes Wärmenetz für den Kindergarten, die Schule, das Dorfgemeinschaftshaus und das Feuerwehrhaus versorgt, spare pro Jahr mehr als 50.000 Liter Heizöl ein, rechnet der Bürgermeister vor. Und auch der Lech profitiere, vor allem im Sommer, wenn der Fluss häufig mit zu hohen Wassertemperaturen zu kämpfen habe.

An Schule und Kindergarten werde die Wärmeversorgung der Gebäude gleichzeitig zum Lernobjekt: "Das zeigt den Kindern gleich, wie man mit erneuerbaren Energien die Gebäude nutzen kann, und es ist ein praktisches Beispiel, dass das auch funktioniert", meint Gerhard Schmid.

Speicheranlagen als nächstes Projekt

Der überschüssige Strom der großen Freiflächen-Photovoltaikanlage wird derzeit noch komplett ins regionale Stromnetz eingespeist. Doch auch das soll sich bald ändern. Als nächste Schritte sind ein Batteriespeicher und ein großer Warmwasserspeicher geplant. Sie sollen das Projekt "energieautarkes Apfeldorf" bald komplettieren. Als Nächstes wird nach Fertigstellung der Anlagen im kommenden Jahr "Kuhl Energy" ans Wärmenetz gehen, so die jetzige Planung. Bauer Thomas Schertich freut sich darauf: "Man ist Teil eines interessanten Projekts, das es sonst halt noch kaum irgendwo gibt."

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