Streitfrage Sonntagsöffnung: Debatte über digitale Supermärkte
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Eine Kundin an einer SB-Kasse

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Streitfrage Sonntagsöffnung: Debatte über digitale Supermärkte

Streitfrage Sonntagsöffnung: Debatte über digitale Supermärkte

Für die meisten Läden hält Bayern an Öffnungszeiten von 6 bis 20 Uhr fest - digitale Supermärkte können rund um die Uhr verkaufen. Die Freien Wähler wollen in der Regierung für SB-Märkte den Betrieb am Sonntag erreichen. Dagegen gibt es Widerstand.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Die Beratungen über ein mögliches eigenes bayerisches Ladenschlussgesetz haben noch nicht mal richtig begonnen in der Regierungskoalition, da zeichnet sich schon eine erste Streitfrage ab. Konkret geht es um die Vorgaben für digitale Supermärkte, mit denen CSU und Freie Wähler die Versorgung im ländlichen Raum sichern wollen.

Die Freien Wähler möchten die Forderung aus ihrem Landtagswahlprogramm nach einem Betrieb "24/7" durchsetzen, also die Sonntagsöffnung. Die CSU sieht das skeptisch, Widerstand gibt es bei Kirchen und Gewerkschaften.

Aiwanger: Digitale Kleinstsupermärkte oft "letzte Hoffnung"

Nach Definition der Staatsregierung haben digitale Kleinstsupermärkte maximal 100 Quadratmeter Verkaufsfläche, bieten ein Vollsortiment an und kommen "ohne Verkaufspersonal" aus. "Man geht nur mit der Bezahlkarte rein, holt sich seine Waren ab und verschwindet dann wieder", sagt Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) dem BR. "Vielfach ist auf dem Land genau der digitale Kleinstsupermarkt die letzte Hoffnung und der letzte Strohhalm, dass man überhaupt eine Nahversorgung organisiert."

Das bayerische Kabinett beschloss schon im Juli 2021, dass sie von Montag bis Samstag rund um die Uhr geöffnet haben dürfen - also auch über die vorgeschriebenen Ladenöffnungszeiten von 6 bis 20 Uhr hinaus. Sonntags ist der Betrieb bisher nur in Ausnahmefällen zulässig, um nicht die Sonn- und Feiertagsruhe zu stören.

Sonntagsöffnung für Investoren Voraussetzung

Aiwanger schildert, für mögliche Investoren sei ein ununterbrochener Betrieb an allen Tagen die Voraussetzung für ihr Engagement. "Wenn sie dann nicht rund um die Uhr öffnen dürfen und sonntags zumachen müssen, dann lohnt sich das Investment nicht."

Zwar dürfen laut Innenministerium Gemeinden bisher schon "aus wichtigen Gründen im Einzelfall" eine Befreiungen vom generellen Sonn- und Feiertagsschutz gewähren. Für eine solche Ausnahme müsse aber ein "dringendes Bedürfnis" vorliegen, also ein "gewichtiges und schutzwürdiges öffentliches oder privates Interesse". Wirtschaftliche Interessen des Betreibers oder das Interesse der Bevölkerung am Sonntagseinkauf rechtfertigten eine Befreiung nicht.

Bisher 30 bis 40 digitale Märkte in Bayern

In Hessen hatte der Verwaltungsgerichtshof im Januar entschieden, dass eine von der Stadt Fulda verfügte Schließung der vollautomatisierten "Tegut Teo"-Verkaufsstellen an Sonntagen rechtens sei. Seither bleiben alle Filialen in Hessen geschlossen - und die Supermarktkette Tegut stoppte in dem Bundesland vorerst die Expansion für ihre personallosen "Teo"-Märkte: Alle Standorte müssten unter den neuen Bedingungen wirtschaftlich neu bewertet und ihre Rentabilität kritisch hinterfragt werden.

Aiwanger plädiert daher dafür, die Sonntagsöffnung von digitalen Kleinstsupermärkten in Bayern per Gesetz als zumutbar zu definieren. "Es ist ja auch eine Tankstelle offen zum Beispiel, wo auch eingekauft werden kann am Sonntag", sagt der Freie-Wähler-Chef. "Und wenn das Gesetz dazu da ist, dann kann das auch nicht mehr weggeklagt werden."

Auch der Arbeitsexperte der Freie-Wähler-Fraktion, Anton Rittel, verlangt für digitale Kleinstsupermärkte "eine Rund-um-die-Uhr-Öffnung an sieben Tagen pro Woche", also an 365 Tagen im Jahr. Bisher gebe bayernweit etwa 30 bis 40 Minishops. "Die Erfahrungen mit den vorhandenen Testmärkten zeigen, dass die Kundschaft bargeldloses Bezahlen und selbstständiges Kassieren sehr gut annimmt", sagt er.

CSU betont Bedeutung des Sonntagsschutzes

Innenminister Joachim Herrmann (CSU), zuständig für den Sonn- und Feiertagsschutz, äußert sich zurückhaltend zur Forderung des Koalitionspartners. Der Sonn- und Feiertagsschutz sei für die Staatsregierung ein "ganz wichtiges Anliegen", betont er. "Da achten wir sehr sorgfältig darauf." Die Koalition habe vereinbart, sich mit den digitalen Märkten noch einmal zu befassen, "um das alles vernünftig zu ordnen".

CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek sagte dem BR Mitte der Woche: "Wir werden uns wie immer zusammensetzen des ausführlich diskutieren, Argumente abwägen." Er sei dafür, "dass wir den Sonntagsschutz und dem Feiertagsschutz tatsächlich belassen". Der Sonntag habe für ihn eine besondere Bedeutung.

Arbeits- und Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) dagegen will sich nicht vorab festlegen. Für sie ist die "durchgängige" Öffnung der digitalen Märkte "die Grundlage" der jetzt anstehenden Diskussion mit allen Beteiligten. Dabei werde dann herausgefiltert, was das für den Sonntag bedeute, sagt sie dem BR.

Gewerkschaften und Kirchen gegen Sonntagsöffnung

Anlässlich des Internationalen Tags des freien Sonntags hatten vergangene Woche Verdi und Kirchen kritisiert, dass "Smart Stores mit automatisierter Kasse" vielerorts sonntags geöffnet seien. "Sonntagsöffnungen sind nicht smart", sagte die Vorsitzende des Evangelischen Verbands Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt, Gudrun Nolte. "Der Sonntagsschutz gilt auch für diese Läden, das hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof kürzlich klargestellt."

Anders als oft behauptet seien die digitalen Supermärkte auch nicht wirklich personallos: Auch sonntags werde Ware eingeräumt, gereinigt und nach dem Rechten gesehen. Ähnlich äußerte sich der Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt der evangelischen Kirche in Bayern, Peter Lysy: "Der Schutz der Sonntagsruhe muss auch für digitale Supermärkte gelten."

Mit Blick auf das in Bayern geplante Gesetz beklagte der Fachbereichsleiter Handel der Gewerkschaft Verdi, Hubert Thiermeyer, in der "Augsburger Allgemeinen": "In den bisherigen Verlautbarungen sehen wir einen klaren Angriff auf den Schutz des freien Sonntags und auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten."

Handelsverband: Eher ein Modell für Städte

Der Sprecher des Handelsverbands Bayern, Bernd Ohlmann, hat derweil Zweifel daran, dass digitale Märkte gerade im ländlichen Raum eine Zukunft haben. Sie seien zwar für Regionen, in denen Nahversorgung Lücken aufweise, eine große Chance. "Ob sie sich am Markt behaupten werden, da würde ich stand jetzt mal ein großes Fragezeichen machen."

Denn auch digitale Märkte müssten sich wirtschaftlich rechnen, genug Umsatz machen und eine entsprechend hohe Kundenfrequenz haben. "Und das ist natürlich vor allen Dingen zum Beispiel in Innenstädten der bayerischen Großstädte oder Mittelstädte gegeben, wo viele Kunden vielleicht die Möglichkeit nutzen werden, auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten einzukaufen."

Innenminister Herrmann sieht das anders. "Die meisten dieser kleinen 100-Quadratmeter-Läden, die ich kenne, sind in der Tat im ländlichen Raum." Laut Wirtschaftsminister Aiwanger kann es natürlich sein, dass digitale Märkte auch ein Geschäftsmodell für Städte werden. Er glaubt aber fest daran, das auch im ländlichen Raum Kleinstsupermärkte gebaut werden.

Zusätzliche Verkaufsnächte

Einig sind sich CSU und Freie Wähler, dass es für den Einzelhandel generell die Möglichkeit zusätzlicher Verkaufsnächte geben soll. Über die Anzahl muss noch diskutiert werden. Aiwanger plädiert für "bis zu sechs" solcher Nächte, Arbeitsministerin Scharf spricht von "vier oder auch fünf" Eventabenden.

Bisher darf jede Kommune einmal im Jahr im Zusammenhang mit einer kulturellen Veranstaltung ausnahmsweise die Ladenöffnungszeiten verlängern, wobei mehrere Bedingungen erfüllt werden müssen. Diese Vorgaben möchte Scharf lockern - und zusammen mit den Regelungen für digitale Märkte in einem Gesetz festlegen. Bisher hat der Freistaat als einziges Bundesland kein eigenes Ladenschlussgesetz, vielmehr gilt noch das alte Bundesgesetz. "Ein Gesetz von 1956 entspricht wirklich nicht mehr der Lebensrealität und den Realitäten von heute", sagt Scharf, die aber an den "Grundpfeilern" festhalten will: Öffnungszeiten Montag bis Samstag von 6 bis 20 Uhr.

CSU-Fraktionschef Holetschek lässt die Sorge erkennen, dass die Arbeit an einem bayerischen Ladenschlussgesetz zu großen Diskussionen über unterschiedlichste Fragen führen könnte. Er will daher nichts überstürzen und erstmal in der Fraktion diskutieren, ob es überhaupt ein Gesetz braucht und im Austausch mit verschiedenen Interessensgruppen alles sorgfältig abwägen. Das werde ein "längerer Prozess", kündigt er an. "Aus der Hüfte zu schießen, bringt da gar nichts."

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