So kontrovers über die geplante Entbürokratisierung seit Wochen gestritten wird, so hitzig ist die abschließende Debatte im Landtagsplenum. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) wirft SPD und Grünen vor, sie würden die Diskussion "verhetzen": Sie seien nicht nur "Bürokratie-Junkies", sondern sogar "Bürokratie-Messis".
Verärgert ist Herrmann vor allem darüber, dass sich Grüne und SPD mit ihrer Kritik auf das Thema Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) bei Skigebieten und Schneekanonen konzentrieren. Das sei ein "Popanz". Und die Warnung, überall könnten künftig Seilbahnen ohne Genehmigung gebaut werden, sei "unseriös und falsch".
SPD-Alpen-Experte Florian von Brunn kontert scharf: Der Staatskanzleiminister habe eine "unwürdige" und "rechtspopulistische" Rede gehalten, die besser zum politischen Aschermittwoch passe als in den Bayerischen Landtag.
Grüne: "Angriff" auf Naturschutz
Grünen-Fraktionsvize Johannes Becher wertet das 3. Modernisierungsgesetz als "Angriff auf den Naturschutz" unter dem "Deckmantel der Entbürokratisierung". Das Gesetz widerspreche den einschlägigen EU-Richtlinien und der Alpenkonvention. Becher beruft sich dabei auch auf ein wissenschaftliches Gutachten.
Außerdem seien unter anderem Alpenverein, Bund Naturschutz und Landesbund für Vogelschutz ebenfalls gegen die neuen Regeln – aus Sorge um den Alpenschutz. Von deren Bedenken sei "kein einziger Kritikpunkt" aufgenommen, bemängelt Becher. Damit drohten künftig eher mehr als weniger Gerichtsverfahren wegen neuer Liftanlagen.
Die Kritik von Grünen und SPD entzündet sich vor allem an den möglichen negativen Auswirkungen, wenn die Schwellenwerte, ab wann eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) notwendig ist, erhöht werden. Für neue Skipisten soll eine UVP erst ab 20 Hektar statt bisher ab zehn nötig sein, in Schutzgebieten künftig erst ab zehn statt ab fünf Hektar. Auch für Schneekanonen und Seilbahnen sollen die Schwellenwerte erhöht werden.
Staatskanzlei: Naturschutz wird nicht eingeschränkt
Staatskanzleiminister Herrmann und der CSU-Umweltexperte Alexander Flierl beteuern: Am "materiellen Recht" zum Schutz der Natur werde "kein Jota" geändert, die Schwellenwerte würden lediglich auf das von der EU vorgeschriebene Mindestniveau angepasst.
Und: Die Juristen der Staatskanzlei und des Umweltministeriums hätten alles auf Vereinbarkeit mit dem EU-Recht geprüft. Der Antrag von SPD und Grünen, den Gesetzentwurf im Landtag wegen Zweifeln an der rechtlichen Zulässigkeit gar nicht erst zu beraten, hatte deshalb zu Beginn der Sitzung keine Mehrheit gefunden.
CSU: "Wir setzen auf Vertrauen, statt Misstrauen"
Kaum eine Rolle spielen in der Debatte die anderen Punkte des 3. Modernisierungsgesetzes. So können künftig Eigentümer ohne Genehmigung aus einer großen Wohnung zwei kleinere machen und vermieten. Außerdem erlaubt der Freistaat, Fördermittel beispielsweise für Vereine bis zu einer Höhe von 10.000 Euro ohne Verwendungsnachweis auszureichen. Kommunen können so künftig sogar bis zu 100.000 Euro erhalten.
"Wir setzen auf Vertrauen, statt Misstrauen", teilt dazu CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek mit. Gleichzeitig bleibe der sorgsame Umgang mit öffentlichen Geldern gewährleistet, denn Missbrauch sei auch ohne Papierflut kontrollierbar. Auch für Geräteschuppen mit einem Volumen von weniger als 20 Kubikmetern im Außenbereich von Siedlungen und auf Feldern entfällt künftig die Genehmigungspflicht.
AfD hätte lieber einen "Kahlschlag"
Die AfD würde sich noch deutlich weitergehende Regelungen zum Bürokratieabbau wünschen. Der Abgeordnete Gerd Mannes hätte gern eher einen Bürokratie-"Kahlschlag" nach dem Vorbild von Tesla-Chef Elon Musk oder des radikal-liberalen argentinischen Präsidenten Javier Milei.
Dennoch stimmt die AfD dem Gesetzentwurf zu, ebenso wie die Regierungsfraktionen CSU und Freie Wähler. Mit Nein votieren Grüne und SPD. Das 3. Modernisierungsgesetz tritt am 1. August in Kraft.
Im Video: Wirtschaftsforscher Thomas Meuche zu Modernisierungsgesetz
Wirtschaftsforscher Thomas Meuche
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