Sobald es schneit, stehen sie in Habacht-Stellung: die Mitglieder der bayerischen Lawinenkommissionen. Sie kennen die aktuelle Schneedecke vermutlich besser als ihre Westentasche. Wie Thaddäus Berktold und Michael Lacher. Sie gehören einer von drei Lawinenkommissionen in Oberstdorf im Oberallgäu an. Vor allem bei starkem Neuschnee oder wenn das Wetter umschlägt, ist ihr Fachwissen gefragt.
Stabil oder nicht – offenlassen oder sperren?
Beauftragt werden sie von ihrer Gemeinde. Die Lawinenkommissionen müssen klären, ob die Schneedecke an gefährdeten Hängen stabil ist oder abgehen und dadurch Menschen oder die Infrastruktur gefährden könnte. Sind Gebäude, Straßen oder Skipisten in der Nähe, wird in dem Dreierteam, in dem die Kommissionen normalerweise unterwegs sind, intensiv beraten. Hat auch nur einer der Gruppe Bedenken, gehen sie auf Nummer sicher und empfehlen der Gemeinde, die Strecken zu sperren. Oder sie lösen gezielt Lawinen an verschneiten Hängen aus: Durch eine Sprengung wird die Schneegefahr verringert.
Die Leistung ist unverzichtbar
Jede Piste, jede Straße und viele Hänge werden rund um die Ortschaften von den jeweiligen Lawinenkommissionen überwacht. Würden sie nicht bei Bedarf die Sperrungen empfehlen (gesperrt wird aktiv durch die Gemeindeverwaltung), würde es sicher sehr viel mehr Lawinenunfälle geben, ist sich Thomas Feistl vom bayerischen Lawinenwarndienst sicher. Nicht nur die Gemeinden, auch sein Amt profitiert von der Arbeit der Lawinenkommissionen: Denn sie liefern einen großen Teil der Daten, aus denen später der Lawinenlagebericht erstellt wird. Im Gegenzug werden die Kommissionsmitglieder durch die Fachleute vom Lawinenwarndienst laufend intensiv geschult.
Technik kann menschliche Kenntnis nicht ersetzen
Natürlich fließen viele Daten von Messstationen in den Lawinenlagebericht ein. Doch Feistl betont auch: "Die Stationen können Temperatur und Schneehöhe messen, aber sie können nicht in die Schneedecke hineinschauen. Und in der Schneedecke drin passieren die spannenden Dinge, die dann die Lawinengefahr bedingen."
Um eine zuverlässige Einschätzung zu erhalten, brauche es die Leute draußen, die die Schaufel in die Hand nehmen, die Schneedecke aufgraben und deren Aufbau untersuchen.
Bei Bedarf täglich ab 4:30 Uhr im Einsatz
Und diese Leute sind ehrenamtlich draußen. Wenn es kräftig schneit oder ein Wetterwechsel einsetzt, sind die Mitglieder der Lawinenkommissionen unterwegs, wenn nötig, täglich. Für Michael Lacher und Thaddäus Berktold geht’s dann mitunter schon morgens um 4.30 Uhr los mit ersten Telefonaten und dem Blick auf die Daten der Messstationen. Beide engagieren sich noch in der Bergwacht, durch die Ausbildung dort und die Schulungen der Lawinenwarnzentrale wissen sie enorm viel über Schnee.
Über die Verantwortung, die sie tragen, wollen sie dennoch lieber nicht nachdenken. Sonst würde sich keiner mehr finden, und schon gar nicht ehrenamtlich, glaubt Berktold: "Das musst Du gern machen, sonst machst Du es nicht."
Engmaschiges Netz in Bayern
Die bayerische Lawinenwarnzentrale kann auf 34 Lawinenkommissionen mit rund 400 Mitgliedern zählen. Alle arbeiten ehrenamtlich. Dazu kommen noch rund 50 ehrenamtliche Lawinen-Beobachter, die, wenn sie zum Beispiel auf Skitour sind, tagsüber Daten erheben und aktuell an die Lawinenwarnzentrale weitergeben.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!
