Thomas Speierl (Mitte) und Stephan Kröner (re.) wildern 200 Schlammpeitzger aus.
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Thomas Speierl (Mitte) und Stephan Kröner (re.) wildern 200 Schlammpeitzger aus.
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Mehr Blubbern im Main: "Furzgrundel" bei Bamberg ausgewildert

Mehr Blubbern im Main: "Furzgrundel" bei Bamberg ausgewildert

Schlammpeitzger, umgangssprachlich wegen seiner Darmatmung auch "Furzgrundel" genannt, sind vom Aussterben bedroht. In Oberfranken sollen sie nun wieder angesiedelt werden. Ein Schritt für mehr Vielfalt in Bayerns Gewässern.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Die "Furzgrundel" soll im Main bei Bamberg heimisch werden. Um den bedrohten Fisch wieder verstärkt in Oberfranken anzusiedeln, hat der Bezirk Oberfranken 200 Tiere in zwei Biotopen bei Bischberg ausgesetzt. Ihren kuriosen Spitznamen verdankt der Fisch, der eigentlich "Schlammpeizger" heißt, einem besonderen Trick.

Atmung über den Darm

Der Schlammpeizger ist stark spezialisiert. "Er lebt in Gewässern, die schlammig sind, und gerne mal warm werden oder trocken fallen", erklärt Thomas Speierl, Leiter der Fachberatung für Fischerei vom Bezirk Oberfranken. Der Trick: Wenn der Matsch dicker und das Wasser weniger wird, schnappt der Schlammpeizger nach Luft. Andere Fische nehmen Sauerstoff über die Kiemen zu sich, der kleine gelbe Schlammliebhaber kann den Sauerstoff aber auch über die Darmschleimhaut aufnehmen. Die Luft, die er nicht verwertet, kommt zum After wieder raus. Und daher hat die "Furzgrundel", oder auch "Gewitterfurzer" ihre Spitznamen.

Schlammpeizger in Oberfranken fast ausgestorben

Der Nachteil an der hohen Spezialisierung: "In den vergangenen 15 Jahren sind die Gräben, Tümpel und Altwässer immer weniger geworden", sagt Speierl. Verantwortlich dafür sind Trockenlegungen, Gewässerausbau und Begradigungen. Früher habe es die Fische als Delikatesse auf den fränkischen Märkten gegeben, heute sei ihm in Oberfranken nur noch eine Stelle bekannt, an der die Fische überhaupt noch vorkommen.

Dem will der Bezirk entgegenwirken. Vor zwei Jahren haben Speierl und sein Team bereits 400 Exemplare nahe Kulmbach ausgesetzt, jetzt wolle man sich den Main entlang vorarbeiten. Die Region bei Bischberg sei besonders geeignet für die Fische; außerdem hat sich die dortige Fischerzunft den Fischartenreichtum auf die Fahne geschrieben. Vorstand Stephan Kröner erklärt: "Wir wollen nicht nur Fische im Main haben, die einen wirtschaftlichen Nutzen bringen, sondern eben auch Fische, die dem ökologischen Gleichgewicht guttun." Gerade kleinere Fische seien zum Beispiel gutes Futter für Eisvögel, Haubentaucher oder andere Tiere.

Gute Chancen für den Fisch

Kröner und sein Team haben also geeignete Biotope herausgesucht, die mit dem Main verbunden sind, und wollen dort nun jährlich junge Schlammpeitzger aussetzen. "Die Region bei uns ist ja optimal für die Tiere", sagt er. Der Main gehe bei Bischberg in den alten Kanal über. "Das ist sehr ursprünglich, mit vielen Altarmen und Biotopen." Die Chancen, dass sich die Schlammpeitzger hier wohlfühlen, hält er für hoch. In drei bis fünf Jahren wolle die Zunft dann kontrollieren, ob sich die Tiere dauerhaft angesiedelt haben.

Neben den schlammliebenden Fischen setzt die Fischerzunft Bischberg auch andere Arten ein. Etwa Laugen, Gründlinge, Nasen oder Barben. "Jede dieser Arten ist ein Puzzleteilchen in der Ökologie des Flusses", sagt Kröner. Pro Jahr setze die Fischerzunft Bisberg um die 50.000 Fische aus. Für etwa 50.000 Euro. Und das seit über zehn Jahren.

"Handlungsbedarf" bei Fließgewässern

Die größten Schwierigkeiten könnten den Schlammpeitzgern laut Speierl die Wasserqualität bereiten. Die meisten bayerischen Fließgewässer seien in einem "mäßig bis ausreichendem Zustand". Laut LfU sind nur 19 Prozent der bayerischen Wasserkörper in gutem ökologischen Zustand. Die größten Belastungen: "diffuse Einträge von Nährstoffen" aus der Landwirtschaft und veränderte Gewässerstrukturen durch Wehre oder Schleusen. In dem Bericht aus dem Jahr 2021 ist von "Handlungsbedarf" die Rede. Umso wichtiger sei es laut Speierl, nicht nur mehr Fische anzusiedeln, sondern die Gewässer zu renaturieren und wieder mehr kleine Tümpel, Gräben und Nebenarme zu schaffen.

Dass der Artenschutz unter Wasser durch die "Furzgrundel" gerade viel Aufmerksamkeit bekommt, findet Speierl super. Er freue sich, dass man mit so einem Aufhänger wie dem witzigen Namen Leute auf diesen sensiblen Bereich aufmerksam machen könne. Denn die bayerischen Wasserbewohner hätten keine große Plattform. "Die sieht und hört man nicht, die pfeifen nicht vom Baum", sagt er. Aber immerhin: Ganz so stumm wie andere Fische ist die "Furzgrundel" nicht. Denn der Ausstoß ihrer Flatulenzen erzeugt durchaus Geräusche.

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