Weil er nach einer Körperverletzung in einer Flüchtlingsunterkunft in Alzenau nicht gegen den mutmaßlichen Täter ermittelt hat, hat das Amtsgericht Alzenau heute einen Polizeibeamten zu einer Haftstrafe von fünf Monaten verurteilt - wegen Strafvereitelung im Amt. Der Richter setzte die Strafe auf drei Jahre zur Bewährung aus und verhängte eine Geldauflage in Höhe von 3.000 Euro für den "weißen Ring" (eine Hilfsorganisation für Opfer). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Polizist leitete kein Ermittlungsverfahren ein
Der Angeklagte hatte als polizeilicher Sachbearbeiter kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, nachdem eine Frau im August 2024 in einer Flüchtlingsunterkunft in Alzenau im Landkreis Aschaffenburg von ihrem Freund angegriffen worden sein soll. Der verdächtige Flüchtling soll fünf Monate später in Aschaffenburg zwei Menschen mit einem Messer getötet haben. Richter Torsten Kemmerer warf allen vier Beamten, die im August in der Unterkunft waren, vor, massive Fehler gemacht zu haben.
Verantwortlich sei aber am Ende der 29-jährige Polizist, weil er als Sachbearbeiter zuständig war. Es habe "überhaupt keine Ermittlungen" in der Unterkunft gegeben. Der mutmaßliche Täter sei lediglich für eine Nacht in Gewahrsam genommen worden, aber es seien keine Zeugen befragt, keine Personalien aufgenommen und auch das Opfer nicht befragt worden. Über das Motiv ließe sich nur spekulieren, da der Angeklagte sich bis zum Ende des zweitägigen Prozesses nicht erklären wollte.
Staatsanwalt plädierte für Haftstrafe, Verteidigung für Freispruch
Die Staatsanwaltschaft hatte ein Jahr und sechs Monate Haftstrafe gefordert in einem nicht minderschweren Fall. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Der Richter hielt dem Angeklagten zugute, dass er sich bislang nichts zu Schulden hat kommen lassen und seine Arbeit bis dahin ordnungsgemäß ausgeführt habe. Er habe den Vorfall auch dokumentiert und als Vorgang ins polizeiliche Register eingetragen. Zudem sei er als Sachbearbeiter von seinen Kollegen vor Ort mit dem Vorgang auch allein gelassen worden. Es habe innerhalb der gesamten Dienstgruppe so gut wie keine Kommunikation oder Hilfe gegeben, auch nicht vom Dienstgruppenleiter, der an diesem Abend selbst vor Ort war und die Dienstaufsicht hatte.
Der Richter vermerkte zudem, dass auf dem jungen Beamten aktuell schwerer Druck laste. Zum einen, weil gegen ihn ein Disziplinarverfahren laufe und wegen der Berichterstattung und der großen Aufmerksamkeit für den parallellaufenden Prozess gegen den Messerstecher von Aschaffenburg. Das betonten sowohl der Richter als auch der Oberstaatsanwalt. Die Frage, ob die tödliche Messerattacke im Januar im Aschaffenburger Park Schöntal hätte durch bessere Arbeit der Alzenauer Polizei verhindert werden können, stelle sich auf gar keinen Fall. "Hätte der Angeklagte sich richtig verhalten und ermittelt, kann niemand die Frage beantworten, ob der Mann wirklich im Gefängnis gelandet wäre, oder wie lange", so der Richter.
Tote im Park Schöntal fünf Monate nach Vorfall von Alzenau
Nach der Attacke konnte der Verdächtige unbehelligt weiter in der Unterkunft leben. Am 22. Januar fuhr er nach Angaben von Ermittlern nach Aschaffenburg und tötete im Park Schöntal ein Kleinkind und einen Mann. Der Flüchtling soll Stimmen gehört haben, die in dazu bewegt haben sollen. Der 28-Jährige ist nach Angaben eines Gutachters paranoid-schizophren und war bei der Tat in Aschaffenburg wahrscheinlich schuldunfähig. Wegen Mordes und anderer Vorwürfe steht der geständige Mann derzeit vor dem Landgericht Aschaffenburg, das voraussichtlich am Donnerstag (30.10.25) sein Urteil in dem sogenannten Sicherungsverfahren sprechen wird. Die Staatsanwaltschaft will den Flüchtling in einer psychiatrischen Einrichtung unterbringen lassen.
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