Mit weniger Vorschriften, weniger Planung, also weniger "Bürokratie" will die schwarz-rote Bundesregierung den Wohnungsbau erleichtern. Am Freitag passierte der sogenannte "Bau-Turbo" auch den Bundesrat. Die Idee: schnellere Baugenehmigungen durch das "Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus". Die Regelung ist zunächst auf fünf Jahre befristet.
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Bürgermeister Tobias Windhorst (CSU) aus dem oberbayerischen Töging am Inn freut sich auf das Beschleunigungsgesetz. Dieses bringe "wirklich echte Erleichterungen im Bereich der Genehmigungen". Einige Interessenten hätten mit ihrem Bauantrag extra bis jetzt gewartet. Man müsse nicht mehr "lange, teilweise sechsmonatige Bebauungsplanänderungen" durchführen, so Windhorst zu BR24. Jetzt könne man "einfach eine ganz normale Baugenehmigung beantragen und die dauert wenige Wochen und dann kann gleich gebaut werden".
Das spare den Bauwilligen Zeit und Geld. Wohnraum könne so tatsächlich schneller entstehen, meint Windhorst. In Baulücken oder am Ortsrand könnten Mehrfamilienhäuser genehmigt werden, auch wenn dies der bestehende Bebauungsplan so gar nicht vorsieht. Gemeinden, die den "Bau-Turbo" anwenden wollen, haben künftig nur noch drei Monate Zeit für eine Baugenehmigung.
In "Bau-Turbo" sieht Bauminister Bernreiter "Baulandturbo"
Weil in Bayerns Ballungszentren und Universitätsstädten vor allem Baugrundstücke fehlen, ist der "Bau-Turbo" für Bauminister Christian Bernreiter (CSU) vor allem eine "Baulandturbo". Schließlich erleichtere er es, Baulücken im Innenbereich von Siedlungen schneller zu schließen. Es könne "nachverdichtet werden, höher gebaut werden, aufgestockt werden".
Erleichtert werde auch die Umwandlung von Gewerbebauten in Wohnungen, so Bernreiter. Von der Bundesregierung erwartet er nun weitere Schritte für weniger Bauvorschriften und vor allem "grünes Licht" für den sogenannten einfachen Bautyp E. Dank niedrigerer Standards, etwa bei Lärmschutz, seien Einsparungen bei den Baukosten von bis zu 15 Prozent möglich.
Gemeindetag: Erst mit "Bau-Turbo" vertraut machen
Auch der Bayerische Gemeindetag begrüßt das Berliner "Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus". Zunächst müssten sich aber die Kommunen mit dem neuen Verfahren vertraut machen und dieses dann auch anwenden. Gemeindetags-Sprecher Matthias Simon gibt zu bedenken, dass schnelleres Bauen ohne Bebauungspläne vor Ort politisch auch durchsetzbar sein muss.
Denn auf Bedenken von Anwohnern, etwa zur Verkehrs- und Parkplatzplanung, Lärm durch Gewerbe, oder den Verlust von Grünflächen müssten die Gemeinden künftig schneller reagieren, dafür bräuchten sie zumindest Konzepte, rät Simon. Umweltverbände sehen den Bauturbo kritisch. Sie fürchten mehr Flächenversiegelung, niedrigere Umweltstandards und weniger Bürgerbeteiligung.
Billigeres Geld, "perfekte" Bauanträge und mehr Serienproduktion
Die Stadtbaurätin der Landeshauptstadt München, Elisabeth Merk, begrüßt den "Bau-Turbo" auf BR24-Anfrage ebenfalls. Sofern dadurch weniger Planungsrunden stattfinden und juristisch weniger aufwendige Lösungen möglich werden. Voraussetzung ist für Merk aber, "dass die, die bauen wollen, einen perfekten Antrag liefern". Die Beratung der Bauwilligen im Vorfeld durch Städte und Gemeinden werde also wichtiger.
Für den Regensburger Professor für Immobilienwirtschaft Tobias Just ist der "Baut-Turbo" deshalb zunächst einmal ein Genehmigungsturbo. Denn um das Bauen im großen Stil wesentlich günstiger und schneller zu machen, müsste standardisiert "industrieller, serieller und modular" gebaut werden, nach dem Vorbild der Automobilproduktion.
Ob in den nächsten Monaten auch tatsächlich in Bayern mehr gebaut wird, das hängt nach Aussage aller Befragten, vor allem am wirtschaftlichen Umfeld, an den Renditeerwartungen und ob niedrigere Zinsen Baukredite für Investoren und Häuslebauer günstiger machen. Münchens Stadtbaurätin klagt etwa, 33.000 Wohneinheiten seien längst genehmigt, würden aber nicht gebaut. Bauminister Bernreiter will deshalb, dass die Bundesregierung mit speziellen Bürgschaften für Bauwillige hilft.
Keine "Wunderdinge": Wirkung wohl erst ab Ende 2027 messbar
Bei allem Optimismus warnt Tögings Bürgermeister Windhorst davor, vom "Bau-Turbo" "Wunderdinge" zu erwarten. Das bayerische Bauministerium erwartet merklich steigende Genehmigungszahlen nur, wenn "viele Städte und Gemeinden mitziehen". Und Gemeindetag und Wissenschaftler Just rechnen mit messbaren Ergebnissen für die Wirkung des neuen Bundesgesetzes erst in zwei Jahren. Matthias Simon vom Bayerischen Gemeindetag: "Ich bin guter Dinge, dass wir, nachdem wir uns das 2026 angeschaut haben, vielleicht 2027 sagen können, ob es Effekte zeitigt."
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