Sportverbände, Freistaat und Stadt München sind sich einig: München könnte besonders nachhaltige Olympische Spiele bieten. Schließlich seien rund 90 Prozent der Olympiasportstätten schon da. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) werben gemeinsam für die Bewerbung. München habe die "nachhaltigsten Sportstätten aller olympischen Turniere jemals", so Reiter. Und "im Gegensatz zu anderen Regionen und Ländern" habe man in München die Sportstätten "nicht verkommen lassen", es müsse "fast gar nichts" neu gebaut werden, sagt Söder.
NOlympia Initiative: "Nachhaltig ist da nichts"
Ganz anders sehen das die Hauptgegner einer Olympiabewerbung Münchens. Im Münchner Bündnis NOlympia engagieren sich neben Bund-Naturschutz und der Partei Die Linke auch die ÖDP. Für deren Landeschef Tobias Ruff hat sich seit den Spielen von 1972 viel geändert, auch die Anforderungen an die Sportstätten. Ihn stört, dass jetzt die acht Schwimmbahnen im Olympiastadion nicht mehr ausreichen. Für die nötigen zehn Bahnen, müsse ein temporäres Schwimmstadion in einer Eventhalle am Flughafen nahe Freising gebaut werden. "Nachhaltig ist da nichts", so Ruff.
Der grüne Vize-Landtagspräsident Ludwig Hartmann kämpft als einziger Promi seiner Partei gegen eine "milliardenschwere Einweg-Olympiade", bei der provisorische Bauten für fast eine Milliarde Euro entstehen und nach den Spielen zurückgebaut werden. Auch für ihn sind die Spiele nicht nachhaltig – etwa wegen des Schwimmstadions oder eines nötigen Mountainbike-Parcours am Tegernsee.
TU-Professor sieht Nachhaltigkeits-Effekte und CO2-Einsparung
Für Thomas Auer, Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen an der TU-München, überwiegen die Chancen Olympischer Spiele. Trotz der gestiegenen Anforderungen an die vorhandenen Spielstätten seien Synergien "sicherlich da". Und deshalb ergäben sich "Nachhaltigkeits-Effekte, die ganz sicher sehr viel CO2 einsparen", so Auer zu BR24. Das hänge jedoch "auch davon ab, wie nachhaltig die zusätzlichen Gebäude gebaut werden, die für eine Olympiade erforderlich sind". Also ob für Tribünen oder Überdachungen etwa viel Holz oder recycelte Baustoffe genutzt würden. Auf konkrete Zahlen zu den vermiedenen Treibhausemissionen durch vorhandene Spielstätten in München wollte sich Auer nicht festlegen.
Ruderregatta-Strecke: "Kann heute seriös nicht sagen", was nötig ist
Neben dem Olympiastadion oder der Reitanlage Daglfing nennen die Olympia-Befürworter als besonders gute Beispiele für eine Wiedernutzung: die Ruderregatta-Strecke in Oberschleißheim und die Olympia-Schießanlage in Garching. Beide Anlagen liegen im Münchner Norden und sind seit 53 Jahren durchgehend in Betrieb, auch bei internationalen Wettkämpfen.
Auf der zwei Kilometer langen Regattastrecke könnten olympische Rennen stattfinden, sagt Willi Bock, Sprecher des Bayerischen Ruderverbandes. Schon vor Jahren lag der Sanierungsbedarf bei 100 Millionen Euro, vor allem für die Zuschauertribüne. Was die Modernisierung tatsächlich koste, könne man "heute seriös nicht sagen". Schließlich seien mögliche Spiele erst 2036, 2040 oder 2044. Deshalb müsse "erstmal gecheckt werden – was ist für Olympische Spiele nötig".
Schießanlage bräuchte mehr Platz und "idealerweise" neue Final-Halle
Genau diese Einschätzung teilt man auch beim Bayerischen Sportschützenbund mit Blick auf die Olympia-Schießanlage. Die Durchführung von Wettbewerben wäre zwar möglich, so Geschäftsführer Alexander Heidel, aber für Zuschauer, Presse und Betreuer sei der Raumbedarf gestiegen. Ein Neubau der Finalhalle wäre deshalb die "Ideallösung". Gerade für mediale Übertragungen und das Zuschauererlebnis bestehe Handlungsbedarf. Vielleicht müsse bis 2040 auch die Technik erneuert werden. "Nicht prognostizierbar" sei zudem, welche Disziplinen dann olympisch sind.
Sport-Ökonom: IOC nimmt Nachhaltigkeit "sehr ernst"
Fest steht: Über die mobilen Bauten hinaus gibt es Renovierungs- und Neubaubedarf bei den Münchner Sportstätten. Seriöse Prognosen zu Kosten, Baukörper-Größen und CO2-Verbrauch bleiben schwierig.
Der Hamburger Volkswirtschafts-Professor und Sport-Ökonom Wolfgang Maennig, 1988 Olympiasieger im Rudern, sagt BR24 mit Blick auf die Nachhaltigkeit: Es gebe "kein einziges Beispiel" von Olympischen Spielen in der Vergangenheit, wo das Konzept eins zu eins so umgesetzt worden sei, wie es vorgeschlagen wurde. Je nach Notwendigkeit sei größer oder kleiner gebaut worden. Wie im Privaten müsse man am Plan "von vornherein gewisse Abstriche machen".
Allerdings meine es das IOC mit Nachhaltigkeit „wirklich sehr ernst“. Schließlich sei es auf Akzeptanz der Stadtgesellschaften angewiesen, so Maennig. Widerstand führe zu Einnahmeausfällen für Veranstalter und Sponsoren. Deshalb würden auch die anderen deutschen Olympiakandidaten Berlin, Hamburg und die Rhein-Ruhr-Region bei der Bevölkerung damit werben, kaum neue Stadien oder Hallen bauen zu müssen.
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