Markus Söder legt nach. Oder anders: Söder übertrumpft Söder. Vor 20 Monaten kündigte der Ministerpräsident an, dass Bayern bis 2035 in der Verwaltung bis zu 5.000 Stellen einsparen wolle – durch Bürokratieabbau, weniger Gesetze, Künstliche Intelligenz (KI). Nach zehn Monaten schärfte er nach: Vorerst keine neuen Stellen, der Abbau solle "auf 2030 vorgezogen werden".
Wiederum zehn Monate später überrascht Söder nun mit einer neuen Ansage: Im "Münchner Merkur" erwähnt er das Nahziel 2030 nicht mehr, spricht von einer "langfristigen Reduzierung", legt dafür aber drauf. "Mein Ziel: Bis 2040 10.000 Stellen abzubauen, also doppelt so viele als bisher geplant." Die Zahl verfehlt ihre Wirkung nicht: Überall in Bayern greifen Medien den Vorstoß auf, Verbände warnen vor möglichen Folgen. Allerdings: Klar ist bisher kaum etwas.
Staatskanzlei: Keine weiteren Angaben zu Söders Plänen
Zu konkreten Plänen sagt Söder im Interview wenig. Er lobt die "überragende Arbeit" von Schulen, Polizei, Justiz und Finanzämtern, trotzdem müsse der Staat schlanker werden. Eine Behörde solle nicht gestrichen werden. "Aber wir werden auch in den Ministerien insgesamt spürbar Stellen reduzieren."
Das wirft Fragen auf. Bleibt es beim Zwischenziel 5.000 Stellen bis 2030? Oder verabschiedet sich Söder davon zugunsten des neuen Fernziels? In welchen Bereichen sieht er Einsparpotenzial? Von Söders Staatskanzlei gibt es dazu vorerst keine Auskünfte: Eine BR-Anfrage blieb unbeantwortet.
Das Finanzministerium teilt mit, dass sich die Reduzierungspläne von 10.000 Stellen ausschließlich auf den staatlichen Bereich bezögen, Kommunen seien nicht betroffen. Wie viel damit gespart werden könnte, lässt das Ministerium offen: Es seien noch keine Entscheidungen "zu den Bereichen und den Wertigkeiten der einzuziehenden Stellen getroffen" worden. Bedeutet: Da auch im öffentlichen Dienst die Einkommen unterschiedlich hoch sind, hängt das Einsparpotenzial davon ab, welche Stellen gestrichen werden.
Unter Söder wurden viele Stellen geschaffen
Seit Söders Amtsantritt im März 2018 wurden viele neue Stellen geschaffen – insbesondere bei der Polizei und an Schulen. Gleich in seiner ersten Regierungserklärung kündigte der neue Ministerpräsident an, das unter Edmund Stoiber abgeschaffte Bayerische Oberste Landesgericht wieder einzurichten und ein Landesamt für Asyl zu gründen. Zudem werde eine neue bayerische Grenzpolizei geschaffen, und in jeder Großstadt bekomme die Polizei eine Reiterstaffel. Söders Hightech Agenda sieht 2.500 neue Stellen in der Wissenschaft vor, beim Landesamt für Gesundheit entstand noch 2024 eine Cannabis-Kontrolleinheit.
Das Finanzministerium teilt auf BR-Anfrage mit, dass in der vergangenen Legislaturperiode die Zahl der Beamten, Arbeitnehmer und Auszubildenden des Freistaats von 357.000 auf 383.000 gestiegen sei: ein Plus von 26.000. Trotzdem ist Bayern laut Berechnungen des ifo-Instituts vergleichsweise sparsam mit seinen Personalausgaben: 1.394 Euro pro Einwohner flossen 2023 in den öffentlichen Dienst des Landes – weniger als im Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer.
Ob sich seit Söders Stellenabbau-Ankündigung 2024 schon etwas getan hat, kann das Ministerium nicht beantworten: Seither sei "keine reguläre Aufstellung eines Doppelhaushalts erfolgt", daher sei "keine Aussage zu treffen".
Welche Stellen könnten weg?
Dass an Polizei und Hightech auch künftig nicht gespart wird, gilt als gesetzt. Auch Lehrer und Richter wird eine KI kaum ersetzen. Grünen-Haushaltsexpertin Claudia Köhler sieht zudem in anderen Bereichen keinen Spielraum. "In der Finanzverwaltung hinken wir hinterher: Jahrzehntelang werden Betriebe nicht geprüft. Die Steuerverwaltung ächzt." An den öffentlichen Dienst könne man nicht mit "der Axt rangehen", sondern müsse konkret schauen: "Wo sind Leute, die nichts zu tun haben?"
Köhler sagt, der Ministerpräsident habe einfach wieder eine Zahl rausgehauen: "So pauschal, ohne konkret zu nennen, was man vorhat, verunsichert das nur alle, schürt ein bisschen Panik und hat nichts mehr mit seriöser Haushaltsplanung zu tun."
DGB: "Fatales Signal"
So unkonkret Söders Vorstoß ist, so beunruhigt sind die Berufsverbände. DGB-Landeschef Bernhard Stiedl spricht von einem "fatalen Signal". Der öffentliche Dienst stehe ohnehin unter enormem Druck: "Überall fehlt Personal, überall stapeln sich die Aufgaben." Wer nun den Rotstift ansetze, gefährde die Handlungsfähigkeit des Staates.
Verdi warnt: "Die Vorstellung, dass weniger Menschen künftig dieselbe Arbeit – oder gar mehr – stemmen sollen, ist nicht nur unrealistisch, sondern gefährlich." Wenn die Qualität staatlicher Leistungen leide, sei das Vertrauen in die Demokratie gefährdet.
Im Video: Söder will 10.000 Stellen im Öffentlichen Dienst abbauen
Ministerpräsident Söder will einen schlankeren Staat - und 10.000 Stellen im öffentlichen Dienst einsparen in den nächsten 15 Jahren.
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