Das Foyer des Hauses der Bayerischen Geschichte in Regensburg hat sich in den letzten Tagen in eine Art künstlichen Wald verwandelt: Von der hohen Decke der Eingangshalle hängen breite grüne Stoffbahnen. Sie sollen an die großen Bäume im Bayerischen Wald erinnern. Dazwischen müssen die Besucher im künstlichen Wald teilweise weit nach oben schauen, denn überall hängen vergrößerte Fotos und Ansichtskarten. Sie bilden den Kern der neuen Ausstellung "Geschichten aus dem Bayerwald II".
Haus der Bayerischen Geschichte erwarb 20.000 Fotos und Karten
Die Motive stammen aus dem Nachlass des Schriftstellers Max Peinkofer, sagt der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, Richard Loibl. Vor einigen Jahren konnte er die Karten und Fotos für sein Haus erwerben. Für Loibl hat der Schriftsteller mit seiner Bildsammlung die Kulturgeschichte einer Epoche im Bayerischen Wald festgehalten, die oft gerne vergessen wird: eine Boom-Phase zwischen 1900 und 1920, in der der Bayerische Wald noch gut lebt, etwa vom Granit oder den Glashütten, von der Landwirtschaft, aber auch schon vom aufkommenden Tourismus, sagt Loibl. "Da sind viele Karten dabei mit den schönsten Pensionen und Hotels, und auch schon Urlaub auf dem Bauernhof gab es da. Experten sagen, das kann unmöglich im Bayerischen Wald sein."
Kulturgeschichte des Bayerwalds auf Postkarten
Die Motive sind wild zusammengewürfelt: Landschaftsaufnahmen, Ansichtskarten, Fabrikszenen, aber auch skurrile Fotos von Menschen oder Alltagsszenen sind zu sehen. Ein Schwammerlsucher mit langem Rauschebart, daneben Granit-Arbeiter und Glasbläser. Loibl hat lange recherchiert, um möglichst viele interessante Geschichten hinter den Bildern zu finden. Keine einfache Aufgabe bei über 20.000 Fotos und Karten. Er habe "Storys über Storys" gefunden, sagt Loibl. Die Ausstellung und sein gerade erschienenes Buch sollen einen kleinen Einblick in diese vielen Geschichten ermöglichen.
Die Motive stammen aus dem Nachlass des Schriftstellers Max Peinkofer, sagt der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, Richard Loibl.
Museumsdirektor Loibl findet eigenen Vater auf Foto
Loibl stammt aus Hengersberg am Rand des Bayerischen Walds. Wenn er durch die Fotos und Postkarten blättert, ist zu spüren, dass ihm die Beschäftigung mit seiner eigenen Heimat ein großes Vergnügen bereitet. Auf einer Aufnahme aus den 50er-Jahren entdeckt er sogar seinen eigenen Vater. Aus Fotos und Ansichtskarten sei oft mehr über die Vergangenheit zu erfahren als aus schriftlichen Quellen. "Man hat einfach Bilder vor Augen, das ist ganz entscheidend. Sonst liest du nur irgendeinen Text. Das ist auch alles ganz nett natürlich, aber da fehlt dir einfach die zweite Dimension", sagt Loibl. Durch die Bilder sei man viel näher an der Lebenswelt der Menschen der Zeit dran, so der Historiker.
"Woid" von der Politik oft vernachlässigt
Anhand der Fotos übt Loibl in seiner Ausstellung aber auch Kritik an der bayerischen Politik in der Vergangenheit. Die habe den Bayerischen Wald in den verschiedenen Epochen immer wieder links liegen lassen. So sei die Eisenbahn viel zu spät in die Region gekommen. Höhere staatliche Schulen hätten lange gefehlt. Die wirtschaftliche Entwicklung der Region sei mehrmals politisch abgewürgt worden, sagt Loibl. Die Menschen im Bayerwald hätten sich oft selber helfen müssen. "Immer, wenn sich der Woid selbstständig gemacht hat, ist was weitergegangen", sagt Loibl. "Wenn man auf das Königreich oder auf den Freistaat gewartet hat, war man meistens verratzt."
Das Haus der Bayerischen Geschichte hat eine große Sammlung Fotos und Ansichtskarten aufgekauft.
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