Bayern sei nach wie vor ein christlich geprägtes Land, stellte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Erläuterung der Zensus-Zahlen im Landesamt für Statistik in Fürth fest. Aber die beiden großen christlichen Konfessionen prägten den Freistaat nicht mehr so stark wie früher. "Wir stellen fest, dass die großen christlichen Kirchen einen erheblichen Mitgliederrückgang in den letzten zehn Jahren zu verzeichnen hatten", so Herrmann.
Das hat Folgen – nicht nur für die Kirchen, sondern für alle Bürgerinnen und Bürger. Denn wegen der fehlenden Kirchensteuer müssen die Kirchen ihr soziales Engagement zurückfahren.
Rückgang: Nur noch zwei Drittel der Bayern in der Kirche
Zwischen dem Zensus 2011 und dem Zensus 2022 kehrten 13 Prozent der Menschen der Kirche den Rücken. Aktuell sind nur noch rund 60 Prozent der Menschen in Bayern Mitglied in einer der beiden großen Kirchen. 44,2 Prozent oder 5,8 Millionen Menschen sind demnach römisch-katholisch, 16,4 Prozent oder mehr als 2,1 Millionen Menschen evangelisch.
Je ländlicher, desto mehr Menschen sind in der Kirche. Das heißt auch: In städtisch geprägten Regionen ist die Bindung an die Kirche geringer. Laut Statistik leben die meisten Kirchenmitglieder in der Oberpfalz – die wenigsten in Oberbayern mit der Hauptstadt München vor Mittelfranken mit Bayerns zweitgrößter Stadt Nürnberg. Ein Prozent der Bevölkerung ist altkatholisch, neuapostolisch, jüdisch, orthodox oder Zeuge Jehovas.
Nicht in der Kirche, aber trotzdem religiös
Das heißt aber nicht, dass die Menschen nicht mehr religiös sind. "Die individuelle Spiritualität und Religiosität des Menschen kann statistisch nicht abgebildet werden und hängt nicht nur mit der Kirchenzugehörigkeit zusammen", sagt Herrmann. Und auch der Präsident des Statistischen Landesamts, Thomas Gößl, betont: Kirchenaustritte seien kein Hinweis auf eine stärkere Säkularisierung der Gesellschaft. Zwischen dem Zensus 2011 und dem Zensus 2022 habe etwa der Anteil der muslimischen Bevölkerung in Bayern deutlich zugenommen.
Etwa sechs Prozent Muslime in Bayern
Laut Gößl schätzte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Anteil der Muslime in Bayern im Jahr 2019 auf rund fünf Prozent. Inzwischen, meint Gößl, dürfte sich ihr Anteil auf knapp sechs Prozent erhöht haben. Exakte Zahlen lägen nicht vor, da muslimische Gemeinden keine öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften seien. Das heißt: Muslime werden statistisch nicht erfasst.
Und in Erlangen, der Heimatstadt von Innenminister Joachim Herrmann, dürfte es inzwischen viele Hindus geben: Dort sind, dank Siemens und anderer großer Firmen, die indischen Staatsangehörigen die größte ausländische Gruppe. Vielleicht, meint Herrmann, gibt es in Erlangen bald einen hinduistischen Tempel.
Innenminister will Dialog der Religionen fördern
Weil die Glaubensbekenntnisse in Bayern immer vielfältiger werden, will Herrmann den Dialog zwischen den Religionen stärker als bisher fördern. Dies sei wichtig für die Demokratie. "Demokratie in unserem Land braucht auch Religion, braucht Religionsfreiheit, braucht gegenseitigen Respekt der Menschen vor der religiösen Überzeugung des jeweils anderen", betont der Innenminister. "Das ist für das friedliche Zusammenleben in unserem Land auch in den nächsten Jahren von großer Bedeutung." Wie er diesen Dialog genau befördern will, ließ der Minister offen.
Staat muss soziale Aufgaben der Kirche übernehmen
Der religiöse Wandel hat Folgen für Bayern. Bislang haben die beiden großen christlichen Kirchen viele soziale Aufgaben übernommen. Caritas, Diakonie und andere Träger betreiben Kindertagesstätten, Beratungsstellen, Werkstätten für Menschen mit Behinderung oder Seniorenheime. Doch je mehr Menschen aus der Kirche austreten, desto weniger zahlen Kirchensteuer und desto weniger soziale Verantwortung können die Kirchen übernehmen. Für Innenminister Joachim Herrmann ist klar: Hier müsse der Staat übernehmen.
Im Video: Bayern – einst und heute eine Hochburg des Christentum
Bayern war und ist noch eine Hochburg der Christen.
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