Vergewaltigungsprozess gegen "Go&Change"- Guru
Bildrechte: BR/Norbert Steiche
Audiobeitrag

Vergewaltigungsprozess gegen "Go&Change"- Guru

Audiobeitrag
>

Schläge, Sex, Drogen: Mutmaßliches Vergewaltigungsopfer sagt aus

Schläge, Sex, Drogen: Mutmaßliches Vergewaltigungsopfer sagt aus

Im Prozess gegen den "geistigen Führer" der Lebensgemeinschaft "Go&Change" hat das mutmaßliche Opfer vor dem Landgericht Schweinfurt ausgesagt. Die Frau spricht von "krasser psychischer Manipulation" und Gewalt, um "ihre Dämonen auszutreiben".

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Der Prozess sorgt schon seit Beginn für Aufmerksamkeit. Seit Februar wird in Schweinfurt gegen den Leiter einer Glaubensgemeinschaft verhandelt. Er ist unter anderem wegen mehrfacher Vergewaltigung angeklagt. Jetzt haben verschiedene Zeugen ausgesagt, darunter das mutmaßliche Opfer und ihr Psychologe. Das Bild, das die 30-jährige Frau von den Zuständen im ehemaligen Kloster Lülsfeld zeichnet, ist düster.

Vorwurf: Gewalt und Sex, um "Dämon auszutreiben"

In der Lebensgemeinschaft "Go&Change" soll ein Klima von Macht und Machtmissbrauch sowie psychischer und körperlicher Gewalt geherrscht haben. Die 30-jährige Medizinstudentin spricht vor Gericht davon, dass der Angeklagte unter anderem mit Gewalt und Sex versucht hätte, bei ihr "einen Dämon auszutreiben". Dem Angeklagten, der sich selbst als "Lichtbringer" oder "geistiger Führer" bezeichnet, sei es dabei darum gegangen, ein "Geständnis" zu erpressen. Sie sollte gestehen, ihn mit anderen Männern betrogen zu haben, obwohl das nie passiert sei – im Gegenteil: Der Angeklagte soll Treffen mit fremden Männern arrangiert haben, die sie vergewaltigten.

Ein ehemaliger Mitbewohner der Gemeinschaft hat inzwischen auch vor Gericht ausgesagt. Nach seinen Worten habe das mutmaßliche Opfer den Wunsch geäußert, mit mehreren Männern nacheinander ungeschützten Geschlechtsverkehr haben zu wollen. Aber: Auf ihn habe es so gewirkt, dass die Frau diese Forderung aus einem inneren Zwang heraus formuliert habe.

Berichte von Gewalt, Drogen und Schlafentzug

Die Frau selbst erzählt vor Gericht konkret von fünf Tagen im Mai 2023. Sie und der Angeklagte hätten Speed und Kokain konsumiert, dann sei es zur sexuellen und körperlichen Gewalt gekommen. Sie habe in dieser Zeit unter massivem Schlafentzug gelitten und dann auch gespielt, einen Dämon in sich zu haben, um weiteren Schlägen vermeintlich zu entgehen. Beim Sex sei es aber zu Dingen gekommen, die sie nicht gewollt habe. Trotz eines Abbruch-Codewortes habe der Anklagte weitergemacht. Das wertet die 30-Jährige heute als Vergewaltigungen.

Schließlich sei es ihr dann gelungen, aus dem ehemaligen Kloster in Lülsfeld zu fliehen. Sie fand bei einer Freundin Zuflucht, die den Rettungsdienst verständigte. Erst als sie ins Krankenhaus kam, wurde die Polizei eingeschaltet und die Frau suchte sich psychologische Hilfe.

30-Jährige beschreibt Abhängigkeit

Warum sie das Kloster und die Lebensgemeinschaft nicht schon früher verlassen hat, begründet die 30-Jährige mit einer "wahnsinnigen Abhängigkeit". Der Angeklagte hätte sie psychisch massiv unter Druck gesetzt. Auch andere Frauen hätten ein krasses Abhängigkeitsverhältnis zum Angeklagten gehabt und seien oft vergewaltigt worden. Sie hat die Taten angezeigt und würde vor Gericht aussagen, weil der Angeklagte gestoppt werden müsse. "Wenn ich mir treu gewesen wäre, hätte ich gehen müssen", sagt die Frau rückblickend vor Gericht. Sie sei aber nicht stark genug gewesen, weil sie "ihre Familie" verloren hätte, wie sie wiederholt betont.

"Wer widersprochen hätte, wäre raus gewesen"

Auf die Frage der Vorsitzenden Richterin, warum der Angeklagte denn diese Autorität ausstrahle, sagt sie, dass er ein großes Selbstvertrauen vor allem Menschen gegenüber ausstrahle, die nicht so selbstbewusst seien. So hätte er es auch geschafft, die Menschen in der Lebensgemeinschaft zum Drogen-Konsum zu zwingen. Niemand habe den Anweisungen des Angeklagten widersprochen. "Wer widersprochen hätte, wäre raus gewesen", sagt sie.

Laut Recherchen der Mainpost [Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt] hat sich eine Frau aus der Gemeinschaft "Go&Change" das Leben genommen, ein Mann sei an den Folgen des Drogenkonsums gestorben. Die 30-Jährige warf dem Angeklagten vor Gericht vor: "Er ist mitverantwortlich, dass Menschen gestorben sind."

Psychologe stützt Schilderungen des mutmaßlichen Opfers

Die Aussage des Psychologen der 30-Jährigen stützt ihre Schilderungen. Die Frau habe durch die Gemeinschaft beziehungsweise durch den Angeklagten viel Traumatisches erlebt. Dazu gehöre ein hohes Maß an Gewalt, schildert er am sechsten Verhandlungstag. In Therapiegesprächen habe die 30-Jährige von ihren Erfahrungen sexueller und körperlicher Gewalt erzählt. Das mutmaßliche Opfer habe auch von Folter gesprochen. Der Psychologe ist auf Sektenkult-Aussteiger und deren Familien spezialisiert. Er hat nach eigenen Angaben mit insgesamt sieben ehemaligen "Go&Change"-Mitgliedern zu tun gehabt.

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund eines User-Kommentars haben wir die entsprechende Passage korrigiert.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!