Hubert Aiwanger spricht beim Politischen Aschermittwoch.
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"Schlichtweg versagt": Parteiinterner Druck auf FW-Chef Aiwanger

"Schlichtweg versagt": Parteiinterner Druck auf FW-Chef Aiwanger

Wegen der verpatzten Bundestagswahl mehren sich bei den Freien Wählern Rufe nach einer Kurskorrektur. Mehrere Landesvorsitzende warnen nun, die Partei dürfe nicht nach rechts abdriften. Ein Verband fordert sogar Aiwangers Rücktritt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

"Lasst es nicht zu, dass wir von einer Minderheit immer weiter rechts außen verortet werden" – das fordern acht Landeschefs der Freien Wähler in einem Brief, der dem BR vorliegt. Es ist ein Appell an die Parteikollegen und den Bundesvorsitzenden Hubert Aiwanger: Neben den "guten konservativen Themen" müsse es "auch wieder mehr Liberalismus" bei den FW geben. Die Partei brauche "ein Update".

Damit stellen sich die Landesvorsitzenden aus Sachsen-Anhalt, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein hinter Bayerns Digitalminister Fabian Mehring. Der hatte ebenfalls ein Update für die Partei gefordert. Die Wahl habe gezeigt, dass für die Partei kein Platz zwischen CSU und AfD sei.

Landeschef über Aiwanger: "Glaubwürdigkeitsproblem"

Über "die Unterstützung aus der Mitte der eigenen Partei" freue er sich natürlich, sagt Mehring. Die FW sollten dafür sorgen, dass auch bürgerlich-konservative Politik wieder "cool und modern" wird. Als Kritik an Parteichef Aiwanger will Mehring das aber nicht verstanden wissen.

Hamburgs FW-Landeschef Daniel Meincke stimmt zwar Mehrings Forderung zu, fordert zugleich aber von Aiwanger eine klarere Haltung. Dem Bundeschef wirft er ein "Glaubwürdigkeitsproblem" vor. Dass Aiwanger die von Union und SPD geplanten Sondervermögen zunächst abgelehnt, ihnen dann aber doch zugestimmt hat, habe seine Glaubwürdigkeit "beschädigt".

Der Unmut darüber habe in Hamburg sogar zu einigen Parteiaustritten geführt, schildert Meincke. Ob Aiwanger zurücktreten müsse als Bundesparteichef? Nein, sagt Meincke: "Wer soll es denn sonst machen?"

Rücktrittsforderung: "Vertrauensverlust"

Die Freien Wähler in Mecklenburg-Vorpommern fordern ihn dennoch zum Rücktritt auf. Das haben sie am Landesparteitag Mitte März einstimmig beschlossen. "Dies sei aus Sicht der Mitglieder notwendig, um die Glaubwürdigkeit der Partei auf Bundesebene wiederherzustellen und die bundesweite Entwicklung voranzutreiben", heißt es in einer Pressemitteilung.

Aiwanger sei ein hervorragender bayerischer Wirtschaftsminister und Landesvorsitzender. Als Bundesvorsitzender habe er jedoch "schlichtweg versagt", erklärt Landeschef Bodo Kappek. Er kritisiert Aiwanger für eine "fehlende Selbstreflexion nach der miserablen Bundestagswahl" und unterstellt ihm Kommunikationsschwierigkeiten. Das "Hin und Her beim Sondervermögen" habe das Fass zum Überlaufen gebracht und zu einem "erheblichen Vertrauensverlust" geführt.

Aiwanger schweigt

Der Parteichef sieht sich schon länger der Kritik ausgesetzt, seine Partei nach rechts geführt und das politische Profil verengt zu haben. Seit der Wahlschlappe bei der Bundestagswahl (1,5 Prozent) nimmt eine innerparteiliche Strategiedebatte Fahrt auf.

Aiwanger selbst hatte am Wahlabend jede Kritik an seinem Kurs zurückgewiesen. Die Wähler seien "deutlich nach rechts gegangen", sagte er dem BR. "Wenn wir deutlich linker aufgetreten wären, dann hätten wir noch weniger Stimmen bekommen." Zum Brief der acht Landesvorsitzenden wollte er sich zunächst nicht äußern.

Appell an Aiwanger: "Klar positionieren"

Der stellvertretende Bundesvorsitzende und Landeschef von Hessen, Engin Eroglu, betont: "Es gibt keinerlei Bestrebungen, den Parteikurs zu ändern." Die FW stünden in der Mitte, sagt Eroglu. "Eine Links-Rechts-Debatte wollen wir überhaupt nicht." Die Parteimitglieder, die sich jetzt entsprechend äußern, wollten "sich nur wichtig machen".

Insgesamt genießt Aiwanger weiterhin großen Rückhalt in der Partei. Beim Bundesparteitag im November wurde er mit 93 Prozent als Parteichef bestätigt. Ein möglicher Nachfolger, der ähnlich bekannt und beliebt ist wie Aiwanger, drängt sich nicht auf. Die Rücktrittsforderung aus Mecklenburg-Vorpommern ist bislang ein Einzelfall.

Andrea Menke, Landeschefin in Sachsen-Anhalt, attestiert Aiwanger, dass er versuche, verschiedene Positionen zu integrieren, mahnt aber: "Wir müssen uns auf das besinnen, was uns ausmacht: eine breite Aufstellung in der Mitte." Die Freien Wähler sollten offen sein und mit der CDU genauso koalieren können wie mit den Grünen. Der Bundeschef müsse "Position beziehen" und die "Grenze nach Rechtsaußen klarer ziehen" – zum Beispiel im Fall Matthias Berger in Sachsen.

Konsequenzen im Fall Berger

Berger sitzt seit Herbst 2024 als Parteiloser für die Freien Wähler im sächsischen Landtag. Er weigert sich, das vom FW-Bundesparteitag mit großer Mehrheit beschlossene Kooperationsverbot mit der AfD anzuerkennen.

Hier tut sich mittlerweile etwas: Der FW-Bundesvorstand teilt auf BR-Anfrage mit, Berger werde die "Nutzung für Namen, Logo und Erscheinungsbild der Freien Wähler für seine parlamentarische Arbeit" entzogen. Einen entsprechenden Beschluss habe der Bundesvorstand einstimmig getroffen und werde diesen in Kürze umsetzen. Andrea Menke findet: ein erster Erfolg.

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