Langsam kommt die Windkraft in Bayern wieder in Schwung. Auch wenn das Ziel der Staatsregierung von 1.000 neuen Windrädern bis 2030 noch weit entfernt ist, nach Jahren, in denen fast keine Windräder im Freistaat ans Netz gingen, sind inzwischen wieder knapp 200 Anlagen in Planung. Ob diese jemals fertiggestellt werden, hängt jedoch auch von der Politik der neuen Bundesregierung ab.
Ohne Ausgleich keine Windkraft mehr in Bayern
Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD enthält eine Klausel, die für Windprojekte in Süddeutschland fatal werden könnte: Das sogenannte "Referenzertragsmodell" soll auf den Prüfstand. Dahinter verbirgt sich ein Mechanismus, der den Nachteil windschwächerer Standorte teilweise ausgleicht, und zwar durch einen Zuschlag bei der Einspeisevergütung für den dort produzierten Strom.
In der Windbranche herrscht Sorge, so Bernd Wust vom Bundesverband Windenergie (BWE): "Wenn das angefasst oder gestrichen wird, dann kann es wirklich passieren, dass Windenergieanlagen in Bayern wirtschaftlich nicht mehr betrieben werden können." Denn in Bayern bläst deutlich weniger Wind als in Norddeutschland. Und weil derzeit überall in Deutschland wieder mehr Windräder geplant werden, ist die Konkurrenz bei den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur hoch – und damit auch der Preisdruck. Die Zeiten, in denen jedes Windrad den Zuschlag für eine Einspeisevergütung bekam, sind vorbei – es gewinnen die günstigsten Anbieter. Ein Konkurrenzkampf, bei dem Bayern ohne Ausgleichsmechanismus den Kürzeren ziehen könnte.
Windkraft gleichmäßig zu verteilen, spart Leitungen
Der Grundgedanke hinter dem Referenzertragsmodell, das jetzt infrage steht, lautet: Windkraft möglichst gleichmäßig in der Republik verteilen. Denn an der Küste liefern Windräder die Energie zwar billiger. Aber Stromerzeugung nahe an den großen Abnehmern macht die Stromversorgung strukturell stabiler. Und es spart auch Leitungen und damit Geld beim Netzausbau.
Strom aus dem Süden ist tatsächlich wertvoller
Im Süden produzierter Strom ist also tatsächlich wertvoller als solcher im Norden, auch wenn das wegen der einheitlichen Strompreiszone für Deutschland bisher im Börsenpreis nicht abgebildet wird. Und es gibt auch bisher schon eine Untergrenze für den Ausgleichsmechanismus: Wenn nicht ein Mindestmaß an Wind weht, werden keine Zuschläge bei der Einspeisevergütung bezahlt.
Reiche findet Erneuerbare-Energien-Pläne überzogen
Ob und was die Bundesregierung tatsächlich an den Bedingungen für Windkraft ändern will, lässt ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums auf BR-Anfrage offen. "Ende des Sommers" soll eine Monitoring-Studie vorliegen, auf dieser Grundlage werde man dann prüfen, inwieweit Änderungsbedarf besteht. Die Ministerin, Katherina Reiche (CDU), hat jedoch bereits öffentlich gesagt, dass die bestehenden Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien aus ihrer Sicht "völlig unrealistisch" und "überzogen" seien.
Die SPD-Energieexpertin im Bundestag, Nina Scheer, kritisiert, dass Reiche den Auftrag für die Monitoring-Studie nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmt hat – und die Stoßrichtung nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt sei. Reiche schaffe "Planungs- und Investitionsunsicherheit".
CSU-Ziele durch Bundespolitik gefährdet?
Auch die CSU hat eigentlich ein Interesse daran, dass Windräder im Süden sich weiter lohnen. Denn das stark industrialisierte Bayern hat sich zum Ziel gesetzt, in den kommenden Jahren bei der Windkraft aufzuholen. Um mehr Strom dort zu erzeugen, wo er verbraucht wird.
Andreas Lenz (CSU) ist energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Eine 20 Jahre alte Regelung wie das Referenzertragsmodell einmal auf Effizienz hin zu prüfen, sei durchaus sinnvoll, sagt er. Stellt aber gleichzeitig klar: "Wenn man die Windkraft im Süden der Republik nicht stärker fördert als im Norden, dann wird es im Süden einfach keine Windräder geben."
Auch das Windkraft-Flächenziel steht infrage
Eine zweite Klausel im schwarz-roten Koalitionsvertrag könnte die Windkraft ebenfalls ausbremsen: Auch das Ziel, bis 2032 bundesweit zwei Prozent der Fläche als Windenergiegebiet auszuweisen, soll überprüft werden. Aus Sicht des Bundesverbands Windenergie kommt das drei Jahre nach dem Wind-an-Land-Gesetz zu früh: "Wir können im Moment noch kaum was evaluieren, weil die neuen Flächen noch nicht mal ausgewiesen sind", sagt Bernd Wust.
Aiwanger hält am Flächenziel fest
Auch Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger (FW) will an dem Ziel unbedingt festhalten, die Bundesland-spezifische Quote für Bayern beträgt 1,8 Prozent der Landesfläche für die Windkraft bis 2032. Die Regionalen Planungsverbände seien gerade mitten in dem Prozess der Flächen-Ausweisung. Wenn jetzt auf halbem Wege die Spielregeln geändert würden, brächte das nach Einschätzung Aiwangers ein großes Durcheinander.
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