Viola Frietsch, Projektleiterin beim Wasserwirtschaftsamt Donau-Wörth, am Lech nördlich von Augsburg. Im Hintergrund: Renaturierung des Lechs.
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Viola Frietsch, Projektleiterin beim Wasserwirtschaftsamt Donau-Wörth, am Lech nördlich von Augsburg. Im Hintergrund: Renaturierung des Lechs.
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Viola Frietsch, Projektleiterin beim Wasserwirtschaftsamt Donau-Wörth, am Lech nördlich von Augsburg. Im Hintergrund: Renaturierung des Lechs.

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So befreit man einen Fluss: Lech-Renaturierung gestartet

So befreit man einen Fluss: Lech-Renaturierung gestartet

Der Lech soll sein natürliches Bachbett wieder bekommen. Bei Rehling haben die Arbeiten begonnen. Auf 56 Kilometern wird der Fluss schrittweise renaturiert. Ein Balanceakt zwischen Wasserkraft, Artenschutz, Grundwasser- und Hochwasserschutz.

Über dieses Thema berichtet: UNKRAUT am .

Ein kalter Morgen, nördlich von Augsburg. Zwischen Rehling und Langweid treffen sich Viola Frietsch vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth und Flussmeister Andreas Wittkopf am Ufer und schauen auf eine 150 Meter lange Musterstrecke: der erste Abschnitt des Generationenprojektes "Licca liber", also freier Lech, ist fertig. Arbeiter haben Verbauungen entfernt, Bäume gefällt und Reptilien umgesiedelt. "Hier probieren wir aus, wie sich der Lech verhält, wenn er wieder frei fließen kann", sagt Frietsch. Die Teststrecke steht stellvertretend für das große Ziel: die Wiederbelebung des Lechs zwischen dem Mandichosee bei Mering und der Mündung in die Donau bei Rain.

Was das Kiesbett mit dem Trinkwasser zu tun hat

Einst war der Lech ein wilder Alpenfluss – mit Kiesbänken und Auen. Heute ist er vielerorts ein gezähmter Kanal, eingezwängt und gestaut. "Der Lech ist total begradigt", sagt Frietsch und fügt hinzu: "Wir müssen ihn wieder befreien." Weil der Fluss sein Geschiebe, also den Kies aus den Alpen, nicht mehr selbst transportieren kann, staut es sich vor Staustufen und fehlt dahinter. Der Lech gräbt sich deshalb immer tiefer in sein Flussbett hinein, stellenweise bis zu sieben Meter.

Wenn die Flusssohle weiter absinkt, könnte sie durchbrechen. Dann würde Wasser im Untergrund versickern, das Grundwasser sinken und das Trinkwasser wäre gefährdet. Um gegenzusteuern, setzen Kraftwerksbetreiber regelmäßig tonnenweise Kies per Bagger um. Durch die Renaturierung soll der Lech wieder selbst Kies vom Ufer mitnehmen und seine Sohle stabilisieren.

Warum zu wenig Wasser im Fluss ein Problem ist

Ein weiteres Problem ist die Wassermenge. Unterhalb des Kraftwerks Gersthofen fließt der Großteil des Wassers in einem Kanal – zur Stromerzeugung. Der eigentliche Lech führt oft nur Restwasser. "Der Lech ist nicht mehr durchgängig und befindet sich in einem mäßig guten Zustand," sagt Frietsch: "Im Sommer können Fische manchmal gar nicht mehr aufsteigen." Viele Fisch- und Pflanzenarten sind verschwunden, Auwälder fehlen, der Fluss hat sich zu tief in sein Bett gegraben.

Interessenskonflikte rund um den Lech

Mehr Wasser für den Fluss bedeutet weniger Wasser für die Kraftwerke. Hier prallen Ansichten und Meinungen aufeinander. Theodoros Reumschüssel von Uniper Wasserkraft betont die Bedeutung des Lechs für die Energieversorgung: "Wasserkraft ist eine der besten regenerativen Energiequellen und die Staustufen dienen auch dem Hochwasserschutz." Auch Ralf Klocke vom Energieversorger LEW warnt vor einer Aufweitung: "Wenn der Lech zu stark mäandriert, könnte er in den Kanal einbrechen, das wäre gefährlich für die Anwohner."

Viola Frietsch vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth hält dagegen: "Licca Liber darf den Hochwasserschutz nicht verschlechtern. Durch Aufweitungen können wir ihn sogar verbessern."

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Der Lech soll auf 56 Kilometern Länge renaturiert werden

Renaturierung im Test: "Kontrolliertes Loslassen"

Das Projekt läuft seit 2013. Genehmigungen für weitere Renaturierungsmaßnahmen stehen noch aus, die Flächenabstimmungen sind aufwendig. "Das ist eine Riesenaufgabe", sagt Frietsch. Die Musterstrecke ist das Herzstück. Hier wird getestet, wie der Fluss auf seine neue Freiheit reagiert. "Unser Ziel ist ein lebendiges Ufer", sagt Flussmeister Andreas Wittkopf. "Nach dem nächsten Hochwasser kann alles wieder anders aussehen und genau das wollen wir." Nur wenn der Lech sich bewegen darf, kann er seine Sohle stabilisieren und neue Lebensräume schaffen. Viola Frietsch nennt es "kontrolliertes Loslassen".

Der Lech als Hoffnungsträger

"Wir müssen jetzt handeln", sagt Frietsch. "Wenn wir heute investieren, entsteht wieder ein Naturraum, der uns allen dient." Wittkopf ergänzt: "Ich hoffe, dass irgendwann alle sagen: Das war richtig."

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