Das stillgelegte Atomkraftwerk Gundremmingen vor der Sprengung der Kühltürme
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Söder und die "Mini-Meiler": Was steckt hinter dem AKW-Vorstoß?

Söder und die "Mini-Meiler": Was steckt hinter dem AKW-Vorstoß?

Weil es "keine politische Mehrheit" dafür gab, nahm CSU-Chef Söder im Frühjahr Abschied von seinem Atomkraft-Plan. Jetzt trommelt er aber für Mini-Meiler. Wie realistisch wären sie? Und was könnte die AfD damit zu tun haben? Eine Analyse.

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Vierfach hält besser: Für seine Forderung nach Mini-Atomkraftwerken für Deutschland nutzte CSU-Chef Markus Söder mehrere Gelegenheiten. "Ich spreche von kleineren, smarten Reaktoren, wie es sie in Kanada bereits gibt", sagte er vergangene Woche der "Welt am Sonntag" (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt). Diese "Mini-Meiler" bräuchten nicht "solche Subventionen" wie große Atomkraftwerke (AKW). Im BR-Interview betonte Söder, kleinere Meiler seien sicherer. Beim Deutschlandtag der Jungen Union rief er: "Wir brauchen kleine Kernkraftwerke." Dieses Wochenende wiederholte er die Forderung.

  • Zum Artikel: Atom-Lüge-Vorwurf gegen Söder: Wie die Staatskanzlei reagiert
  • Damit befeuert Söder die Atom-Debatte neu. Noch im Frühjahr schien das Thema abgehakt. Der CSU-Chef war mit der Forderung nach einer Rückkehr zur Atomkraft in die Koalitionsverhandlungen mit CDU und SPD gegangen, konnte sich aber nicht durchsetzen: Es habe "keine politische Mehrheit" dafür gegeben. Daran dürfte sich nichts geändert haben. Warum jetzt dieser Vorstoß?

    Atomkraft: AfD attackiert Union

    Grüne und SPD im bayerischen Landtag vermuten hinter Söders Forderung Kalkül: "Markus Söder versucht der AfD hinterherzurennen und (...) die Stimmung zu drehen", sagt Grünen-Energieexperte Martin Stümpfig. Sein SPD-Kollege Florian von Brunn sagt: "Er versucht damit, im rechten Teich zu fischen."

    Zuletzt hatte sich die AfD verstärkt bemüht, Sorgen vor Energieknappheit aufzugreifen und die CSU beim Thema Atomkraft zu attackieren. Anlass: die Sprengung der Kühltürme des stillgelegten AKW Gundremmingen, das seit Jahren zurückgebaut wird. Der bayerische AfD-Abgeordnete Gerd Mannes beklagte die "mutwillige Zerstörung" eines der "besten Kernkraftwerke weltweit". Wer das zu verantworten habe, verhalte sich "nicht anders als die Taliban damals in Afghanistan". AfD-Bundeschefin Alice Weidel rief, in Gundremmingen sei "extremistische Politik" betrieben worden.

    Am selben Wochenende wie Söder forderte auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die Rückkehr zur Atomkraft, mit Verweis auf die AfD: Der Atomausstieg sei ein "Brandbeschleuniger für die AfD" gewesen, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Dass Deutschland die letzten Kühltürme sprenge, sei "total bitter".

    Noch kein Mini-Meiler in Kanada

    SPD-Politiker von Brunn betont: "Diese kanadischen Reaktoren, die gibt es überhaupt noch nicht, von denen Söder spricht." Zwar gilt Kanada als Vorreiter bei der Planung von Small Modular Reactors (SMR), mit der Fertigstellung des ersten wird aber nicht vor Ende 2029 gerechnet. Laut Betreiber "Ontario Power Generation" wäre es der "erste in der westlichen Welt" (externer Link).

    In den vergangenen Tagen hatten mehrere Medien berichtet, dass es auch nach Angaben der kanadischen Regierung solche Reaktoren in Kanada noch nicht gibt. Söder bekräftigte dennoch am Mittag nach einer CSU-Vorstandsklausur: Es sei nötig, "kleine Kernkraftreaktoren, wie wir sie in Kanada und Schweiz sehen, zu prüfen".

    Atomenergie-Experte Alexander Wimmers von der TU Berlin erläutert, der wesentliche Unterschied zu bisherigen hochkapazitären Leichtwasserreaktoren sei, "dass die SMR erstmal gar nicht existieren". Die meisten seien in frühen Entwicklungsstadien. Lediglich in Russland und China gebe es Prototypen, die laufen. Deren Performance-Daten seien aber unklar.

    SMR soll in Temelín gebaut werden

    Fakt ist auch: In der Schweiz gilt noch ein gesetzliches Neubauverbot für Atomkraftwerke (externer Link), es wird aber über eine Aufhebung diskutiert. Konkret sind die Pläne in Tschechien. Neben dem AKW Temelín unweit der bayerischen Grenze soll bis Mitte der 30er Jahre ein SMR des britischen Unternehmens Rolls-Royce stehen, Großbritannien plant drei Reaktoren dieses Typs auf einer walisischen Insel.

    Schneller will die rumänische Regierung mit dem US-Unternehmen NuScale Power sein, dessen Vorzeigeprojekt im Bundesstaat Idaho aber aus Kostengründen abgebrochen wurde (externer Link). Wann ein erster SMR in Europa in Betrieb geht, ist unklar. "Man sagt, es sind kleine, modulare Reaktoren, aber dennoch sind es ja sehr umfangreiche Infrastrukturprojekte", sagt Wimmers. Die jüngsten Atomkraftprojekte in Europa seien "eher nicht von Pünktlichkeit gekennzeichnet" gewesen.

    Wie steht es um Kosten?

    Grünen-Politiker Stümpfig ärgert sich auch über Söders Aussagen zur Finanzierung der SMR. "Die Märchen von den kostengünstigen Mini-Atomkraftwerken entbehren wirklich jeglicher Realität." Er fordert wie von Brunn, sich auf erneuerbare Energien zu konzentrieren. Dagegen mahnte Unions-Fraktionsvize Sepp-Müller (CDU) in der "Welt", Söders Vorschlag nicht vorschnell abzutun: "Wir brauchen eine technologieoffene Forschung."

    Atomkraft-Experte Wimmers erläutert, der Atomsektor habe seine Kosten immer zu optimistisch prognostiziert. Das Versprechen günstiger Kraftwerke sei "erst mal grundsätzlich kritisch zu sehen". Zwar wären die Kosten pro Kraftwerk geringer als bei großen AKW, der Preis pro Megawatt aber zunächst höher.

    Ein Gutachten des Öko-Instituts im Auftrag des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) kommt zum Schluss, dass mehrere Tausend Reaktoren produziert werden müssten, bevor sich der Einstieg in die SMR-Produktion lohnen würde. Bei der Sicherheit könnten SMR gegenüber großen Anlagen möglicherweise Vorteile pro Reaktor bringen. Dass für die gleiche Menge elektrischer Leistung viel mehr Reaktoren nötig seien, "erhöht das Risiko jedoch wiederum". Wimmers stellt klar: "Keiner dieser Reaktoren kommt ohne radioaktive Abfälle aus."

    PreussenElektra: "Politische Entscheidung"

    Das Energieunternehmen PreussenElektra, Betreiber des bayerischen AKW-Standorts Isar, will Söders Vorstoß auf BR-Anfrage nicht kommentieren, teilt aber mit: "Grundsätzlich verfolgen wir das Ziel, unsere Kraftwerksstandorte einer wertschöpfenden Nachnutzung zuzuführen, und prüfen dafür alle Optionen ergebnisoffen." Die Frage, ob Atomkraft wieder zur Stromerzeugung eingesetzt werden solle, sei "in erster Linie eine politische Entscheidung".

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