Welchen Einfluss hat das sogenannte "Dritte Modernisierungsgesetz" auf Bauprojekte in bayerischen Skigebieten? Diese Frage wurde im Sommer dieses Jahres heiß diskutiert. Beim geplanten Neubau eines Skilifts im Allgäuer Skigebiet Fellhorn – bei Oberstdorf greift das neue Gesetz jetzt, wie der BR vor wenigen Tagen erstmals berichtet hat.
- Zum Artikel: Wie ein Skilift Bayerns Umweltrecht testet
"Die Scheidtobelbahn ist eine gute, nostalgische Bahn", sagt Johannes Krieg, Geschäftsführer der Fellhornbahn GmbH. Aber sie sei nicht mehr zeitgemäß. Deshalb möchte Krieg einen Neubau. Wo derzeit eine alte Doppelsesselbahn steht, soll ein neuer Sechser-Sessellift entstehen.
Das Bauvorhaben am Scheidtobel berührt Natur- und Vogelschutzgebiet, unter anderem lebt hier das bedrohte Birkhuhn. Für Thomas Frey vom Bund Naturschutz in Bayern (BUND) ist die geplante Seilbahn und das neue Genehmigungsverfahren nicht nur ein Eingriff in ein Naturschutzgebiet, sondern auch in seine Arbeit als Naturschützer. Nach altem Gesetz, also vor dem "Dritten Modernisierungsgesetz", hätte es eine sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die Baumaßnahme gebraucht. Die Behörden mussten Naturschutzverbände wie BUND oder den Deutschen Alpenverein (DAV) detailliert in Bauvorhaben einbinden.
Länge eines Lifts entscheidend für Prüfung
Jetzt wurde der BUND zunächst überrascht: "Wir hatten die Situation, dass eine Kollegin am Fellhorn unterwegs war und eine große Baustelle am Berg war. Früher hätten wir das vorher in einem Verfahren mitbekommen," sagt Frey. Er befürchtet, dass die Öffentlichkeit nicht mehr in Belange des Naturschutzes eingebunden wird.
Das zuständige Landratsamt Oberallgäu informierte den BUND erst einen Tag vor der BR-Veröffentlichung detailliert über die Ausmaße des Vorhabens im Skigebiet Fellhorn-Kanzelwand. Der Verband gehörte in der Vergangenheit zu den schärfsten Kritikern von Seilbahnbauten im Allgäu.
Die UVP entfällt bei der Scheidtobelbahn wegen eines neuen Längenkriteriums im Gesetz. Demnach wird diese Prüfung und damit die Beteiligung der Naturschutzverbände bei Seilbahnprojekten in Schutzgebieten erst ab einer Länge von 1,5 Kilometern fällig. Die neue Scheidtobelbahn ist mit einer Länge von 1,43 Kilometer geplant.
Umweltgutachten der Betreiber liegt vor
Das Seilbahnunternehmen hat mit dem Genehmigungsantrag eine "Verträglichkeitsprüfung" beim Landratsamt Oberallgäu eingereicht. Sie liegt dem BR vor. Das vom Seilbahnunternehmen beauftragte Planungsbüro stellt fest, "dass die Durchführung des Vorhabens eine erhebliche Störung sowie Verschlechterung" für Fortpflanzung und Überleben von Birk- und Alpenschneehuhn bewirken könne. Deshalb seien Begleit- und Ausgleichsmaßnahmen erforderlich. Insgesamt kommt das Gutachten aber zu dem Schluss, dass durch das Projekt keine erheblichen Beeinträchtigungen für die Schutzgebiete zu erwarten seien.
Nach alter Gesetzeslage hätten Umweltverbände die Möglichkeit, eigene Stellungnahmen abzugeben, die Behörden dann zwingend berücksichtigen müssten. Das entfällt jetzt. Steffen Reich, Umweltexperte beim Deutschen Alpenverein, befürchtet in Einzelfällen Nachteile für die Natur, "weil einfach nicht mehr alle wichtigen Hinweise mit einbezogen werden."
Politische Diskussion geht weiter
Klaus Holetschek, CSU-Fraktionsvorsitzender im bayerischen Landtag, verteidigt die Anwendung der neuen Regeln: "Es geht um Vereinfachung." Natürlich wolle man die Natur schützen, gerade die CSU habe das Thema Schöpfung als zentrales Thema.
Johannes Becher, Vizechef der Grünen im Landtag, sieht sich in seinem Protest bestätigt: "Was wir befürchtet haben, ist jetzt eingetreten." Das Fellhorn mit dem Blumenberg sei hochsensibles Natur- und Landschaftsschutzgebiet mit über 120 Arten. Becher weist darauf hin, dass das Gesamtprojekt auch einen neuen Speicherteich für Kunstschnee beinhalte.
Die Betreiber der Fellhornbahnen sagen, ihnen gehe es um Modernisierung. Förderkapazitäten und Pistenflächen blieben gleich. Pisten sollen begradigt und umgebaut werden. Für Klaus Holetschek (CSU) ein richtiger Schritt: "Ökologie und Ökonomie gemeinsam zu denken, ist etwas Wichtiges. Da sollte man sich nicht künstlich empören."
Öffentliche Debatten bei Skigebiet-Projekten in der Vergangenheit
Im Allgäu hatten große Debatten in der Vergangenheit durchaus Auswirkungen auf Bauprojekte in Skigebieten, betont Thomas Frey (BUND) – etwa bei der Erschließung des Riedberger Horns oder beim geplante Ausbau des Grünten als großes Skigebiet. In beiden Fällen habe die öffentliche Auseinandersetzung dazu geführt, dass die Pläne nicht verwirklicht wurden. Wann die neue Scheidtobelbahn gebaut wird, ist noch nicht bekannt. Das Genehmigungsverfahren beim Landratsamt Oberallgäu läuft.
Skigebietsmodernisierung am Fellhorn nach neuem Gesetz
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!

