Die Bleikristallindustrie war einst das funkelnde Aushängeschild der nördlichen Oberpfalz. Vor gut 30 Jahren ging sie unter – geblieben sind riesige Ruinen und jede Menge Altlasten. Nun beginnen auf einem Gelände der ehemaligen Glasfabrik Beyer & Co in Altenstadt an der Waldnaab Abrissarbeiten.
Giftige Chemikalien im Boden
Das alte eiserne Tor ist mit einem großen blauen Kettenschloss gesichert. Hier herrscht Betretungsverbot, es laufen Entrümpelungen. Bauarbeiter beseitigen anschließend Asbest aus dem Dach, bevor die ehemalige Ofenhalle und zehn angrenzende Gebäude abgerissen werden – aus statischen Gründen, aber auch, weil darunter Arsen, Blei und Fluorid im Boden stecken.
Das seien typische Chemikalien, die zur Herstellung von Bleikristall verwendet wurden, die allerdings das Grundwasser gefährden, so Sachgebietsleiterin Anna Balk vom Landratsamt Neustadt an der Waldnaab. Deshalb wird die Behörde tätig: Der Boden wird ausgebaggert und mit unbelastetem Material verfüllt.
Abriss kostet 4,5 Millionen Euro
Das Landratsamt muss zur Gefahrenabwehr einspringen – für Anwohner und Umwelt. Denn vom Grundstückseigentümer sei finanziell nichts zu holen. "Die Firma befindet sich in Liquidation und verfügt über keine finanziellen Mittel", sagt Anna Balk. Deshalb muss der Steuerzahler in sogenannter Ersatzvornahme ran. Etwa viereinhalb Millionen Euro werden die Arbeiten bis zum Frühjahr kosten. Der restliche Teil der Gebäude auf dem großen Gelände von rund sieben Fußballfeldern bleibt stehen.
Das große Hoftor der ehemaligen Glasfabrik Beyer & Co in Altenstadt an der Waldnaab ist abgesperrt.
Riesige Ruinen und schwerwiegende Altlasten
Beyer & Co ist nur ein Fall von insgesamt vier großen Arealen im Landkreis Neustadt an der Waldnaab, auf denen ehemalige Glasfabriken riesige Ruinen und viele Altlasten hinterlassen haben. Die Annahütte in Windischeschenbach ist ein Lost Place, in der noch Ofen, Gerätschaften und vieles mehr stehen. Auf der Fläche der ehemaligen Fabrik Tritschler/Winterhalder in Neustadt an der Waldnaab sind Gebäude bereits abgerissen, der Boden ist ausgetauscht worden.
Nächsten Sommer soll es auch auf dem Gelände der ehemaligen Firma Hofbauer in Altenstadt an der Waldnaab losgehen. Sieben Millionen Euro haben die bisherigen Arbeiten, Planungen und Erkundungen dort bereits gekostet. Der Großteil davon kommt vom Freistaat; knapp 1,7 Millionen Euro davon hat der Landkreis finanziert.
Allerdings: Eine grüne Wiese ist danach nicht zu erwarten. Für eine Revitalisierung und Nachnutzung ist wiederum der Eigentümer zuständig. Den Kommunen sind dabei finanziell und zum Teil auch rechtlich die Hände gebunden.
Bürgermeister spricht von "Schandfleck"
Altenstadts Bürgermeister Ernst Schicketanz ist zwar froh, dass sich nach jahrelangen Gutachten und Planungen endlich etwas tue und seine Einwohner auch endlich etwas sehen würden davon. Doch in seiner Gemeinde hat er zwei ehemalige Glasfabriken nebeneinander mit einer Fläche von insgesamt mehr als 18 Fußballfeldern. "Es ist natürlich ein Schandfleck", sagt er. Dazu kommt die Umweltbelastung.
Doch einen Teil des Beyer & Co-Geländes konnte die Gemeinde inzwischen kaufen. Mit EU-Mitteln wird das ehemalige Verwaltungsgebäude saniert. Die Ganztagsbetreuung der Grundschule soll hier einziehen und auch Vereine sollen die Räume künftig nutzen können.
Das ist kleiner Lichtblick. Denn bis die Ruinen und Altlasten der einst erfolgreichen Bleikristallindustrie auf den riesigen Flächen beseitigt sind, wird es noch viele Jahre dauern - und viele Millionen Euro kosten.
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