Die große BR-Datenanalyse zu den Müllgebühren in Bayern sorgt für Diskussionen. Denn es wird deutlich: Die Abgaben der privaten Haushalte in Bayern sind sehr uneinheitlich – je nach Wohnort zahlt eine vierköpfige Familie für die Abholung der gleichen Restmülltonne zwischen 128 und über 500 Euro pro Jahr. Ein Flickenteppich aus unterschiedlichsten Abrechnungssystemen, Tonnenmodellen und Serviceleistungen.
Das muss auch der Präsident des Bayerischen Landkreistags, der Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin (CSU) zugeben: "Der eine Landkreis legt vielleicht besonderen Wert auf besondere ökologische Vorgaben. Der andere möchte besonders viel Bequemlichkeit für seine Bürgerinnen und Bürger. Beim einen können Sie den Kühlschrank umsonst abgeben, beim anderen kostet es eine Gebühr und so weiter." So sei es tatsächlich von Landkreis zu Landkreis sehr unterschiedlich.
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Landkreise schieben schwarzen Peter weiter
In Bayern kümmern sich insgesamt 96 Landkreise und kreisfreie Städte eigenständig um die Abfallentsorgung – oft über kommunale Zweckverbände, die Rest- und Biomüll einsammeln. Für Verpackungsmüll – also alles, was in den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne kommt – sind dagegen private Firmen zuständig, die im Rahmen des Dualen Systems Deutschland (DSD) arbeiten. Sie organisieren im Auftrag von Industrie und Handel die Sammlung und Verwertung von Verpackungsmüll und müssen dabei gesetzlich vorgeschriebene Recyclingquoten erfüllen.
Für die teils extremen Ausschläge bei den Müllgebühren, macht man beim Bayerischen Landkreistag, dem Interessenverband aller 71 Landkreise im Freistaat, eben auch dieses sogenannte Duale System verantwortlich: "Bei der Papiertonne und dem Gelben Sack beispielsweise ist jeder Landkreis verpflichtet, sich mit zehn Dualen Systemen abzustimmen. Nahezu alle beklagen seit Jahren unfaire Verhandlungspraktiken", heißt es in einem Statement.
Duale Systeme: Restmüllgebühren nicht unser Bier
"Den Dualen Systemen die Verantwortung für hohe Müllgebühren zuzuschieben, ist fachlich nicht ganz korrekt", entgegnet Stefan Böhme, der Präsident des Verbands der Bayerischen Entsorgungsunternehmen e.V. (VBS). Die Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verkaufsverpackungen sei ganz eindeutig in der Verantwortung der privaten Wirtschaft und habe keinerlei Verbindung zur Gebührenkalkulation der Restmüllabfuhr.
Entsprechend scharf wird auch bei den Dualen Systemen in Deutschland der Vorwurf einer Mitverantwortung für Gebührenaufschläge im kommunalen Bereich zurückgewiesen: "Vielmehr beeinflussen teilweise kommunale Vorgaben zur Erfassung von Restmüll die Sammelqualität der Leichtverpackungen negativ."
In den gelben Sammelbehältnissen sei etwa 30 Prozent Restmüll zu finden, der dort nicht hingehört, heißt es weiter. Dies belaste das Duale System finanziell und erschwere die Erreichung der gesetzlich geforderten Recyclingquoten.
Duales System beim Müll: Phantomschmerz der Kommunen?
Zwar räumt man seitens der Dualen Systeme ein, "vereinzelt sehr hartnäckig mit den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern über die Ausgestaltung der Verpackungsentsorgung zu verhandeln". Allerdings hätten die Kommunen oftmals auch teure Sonderwünsche an das Sammelsystem, die man gerne allein den Dualen Systemen auferlegen würde, heißt es beim VBS.
Bei den privaten Entsorgern in Bayern führt man die Vorwürfe der Kommunen darauf zurück, dass man die Übertragung der Entsorgungsverantwortung beim Verpackungsmüll auf private Dienstleister- vor über 30 Jahren - immer noch nicht verwunden habe.
Braucht es eine Reform des Dualen Systems?
"Nein", zeigt man sich bei den Dualen Systemen verwundert: "Warum im Kontext der Analyse bayerischer Müllgebühren die duale Systemlandschaft in Deutschland grundsätzlich zur Disposition gestellt wird" sei nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil, ergänzt Stefan Böhme vom Verband bayerischer Entsorger in Bayern: "Die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen im Wettbewerb sorgt dafür, dass Innovationen entwickelt werden, technischer Fortschritt und Wirtschaftlichkeit im Fokus bleiben und das Ganze im Preiswettbewerb unter den Anbietern zum günstigsten Preis."
Seitens des Bayerische Landkreistag wäre es dagegen wünschenswert, "das bestehende Duale System im Sinne der Bürgerinnen und Bürger grundlegend zu reformieren". Und auch Landkreistagspräsident Thomas Karmasin findet: "Da könnte man sicher das eine oder andere reformieren."
Im Video: Abzocke bei unserem Müllgebühren?
Mülltonnen in Augsburg
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