Soldaten liegen verwundet auf dem Boden - stöhnen, schreien. Stabsunteroffizier Eric tastet einen Körper ab: "Rechter Arm: kein Blut, keine Wunden." Eric spricht mit sich selbst, folgt einem genauen Untersuchungsschema. Schweiß läuft ihm übers Gesicht. Eine kritische Blutung zu übersehen, das wäre der Super-Gau. Eric soll als sogenannter "Ersthelfer Bravo" das Überleben des Kameraden sichern. Auf Bitten der Bundeswehr nennen wir nur seinen Vornamen. Der Stabsunteroffizier ist ausgebildet in weitergehenden Erste-Hilfe-Maßnahmen, um die Lücke zwischen seiner Einheit und dem qualifizierteren Sanitätspersonal zu schließen.
Kurz zuvor wurde die Einheit aus der Luft angegriffen. Die Pioniere aus Bogen waren dabei, eine Minensperre auszulegen, um feindliche Kampfpanzer aufzuhalten, als eine handelsübliche Drohne eine Mörsergranate abwarf.
Informations- und Lehrübung
Doch: Sowohl die Explosion als auch die Verwundungen sind nur Teil einer Darstellung. In und um die Gäubodenkaserne in Feldkirchen demonstriert der Sanitätsdienst der Bundeswehr, wie die Versorgung Verwundeter im Idealfall abläuft. Der Führungsnachwuchs der Truppe und Angehörige ziviler Rettungsorganisationen dürfen nah ran. Sie bekommen die Rettungskette erläutert. Nach der Verwundung beim Drohnenangriff, dem Abtransport sowie der Versorgung durch Eric folgt der Transport in eine "Rettungsstation".
Lehren aus dem Ukraine-Krieg
Vor einem Gebäude fahren gepanzerte Fahrzeuge vor – das rote Kreuz prangt auf weißem Grund. Verwundeten werden übergeben. Ein Arzt begutachtet ihren Zustand. Das Geschehen orientiert sich dabei stark am Ukraine-Krieg. Der Sanitätsdienst zieht seine Schlüsse daraus, sagt Generalarzt Bruno Most. Für eine schnelle notfallmedizinische Sichtung und Versorgung sei ein Gebäude gut geeignet: "Wir lernen gerade aus der Ukraine, dass jeder Schutz vor Drohnen oder Artillerie auch durch uns genutzt werden muss."
Weg von der Front
Von der Rettungsstation geht es weiter – immer weg von der Front, Richtung Hinterland – schließlich in ein "Rettungszentrum". Was eigentlich unter Zeltplanen verborgen wäre, ist für die Besucher in einem Hangar aufgebaut. Da ist ein OP-Saal, aber auch eine Intensivstation. Der Zustand mehrerer Patienten im Drehbuch-Szenario ist kritisch. Die Gespräche des Behandlungsteams sind über Lautsprecher mitzuverfolgen. Eine Militärseelsorgerin ist vor Ort.
Oberstarzt Andreas hat die Verantwortung. Er muss triagieren – entscheiden, wer wie behandelt werden kann. Die Situation sei immer sehr schwierig, sagt er später im BR-Interview: "Wir versuchen das Überleben aller Patienten sicherzustellen, was eben nicht immer möglich ist." Die Kapazitäten in seinem Rettungszentrum sind begrenzt.
"Unglaubliche Mengen von Patienten"
16 Auslandseinsätze hat der Oberstarzt hinter sich. Was macht es da mit ihm, hier auf der Lehrübung die eigene Arbeit zu präsentieren, wo die Einsatzszenarien heute doch ganz andere sind? Wo die Bundeswehr sich einstellt auf die Verteidigung von NATO-Bündnisgebiet? Andreas sagt: Gar nicht so viel. Die großen Unterschiede sieht er eher in den Anforderungen: "Unglaubliche Mengen von Patienten" seien denkbar, in den Szenarien, die hoffentlich nicht folgen, aber möglich sind. Die Behandlung müsse mobil erfolgen können, nicht im Feldlager, mit Zelten und Containern, die über Monate, wenn nicht Jahre stehen bleiben: "Wir werden in irgendwelchen Häusern, Garagen, was auch immer arbeiten müssen und das ist eine große Herausforderung."
Auf welche Szenarien sich die Bundeswehr einstellt, daraus macht in Feldkirchen niemand einen Hehl: Sollte Russland das Baltikum angreifen, wären eintausend verwundete Soldaten pro Tag wohl denkbar. Allein hier zeigt sich die Bedeutung des Sanitätsdienstes.
Transport in die Heimat
Erstmals ist auf der Lehrübung auch der Weitertransport in die Heimat ein Thema: Eisenbahnwaggons sind aufgestellt, allerdings nur symbolisch. Helfer von Maltesern und Rotem Kreuz übernehmen Verwundete. Schließlich wären hierzulande Rettungsorganisationen und staatliche Strukturen gefordert. Generalarzt Bruno Most bezeichnet den Zug als "Wunschtraum". Seit dem Kalten Krieg seien die Kapazitäten für den Transport Verwundeter auf der Schiene abgeschafft worden. Aber man arbeite an etwas Neuem, lässt er anklingen.
Für den Generalarzt ist das Glas aktuell halb voll. Es tut sich vieles, sagt er, etwa in der Abstimmung mit zivilen Kliniken und Organisationen. Auch seien die gepanzerten Rettungsfahrzeuge der Bundeswehr inzwischen hervorragend, nur reiche ihre Anzahl nicht aus.
Zum Video: Deutschland muss wieder aufrüsten
Experten glauben, Putin könnte in naher Zukunft auch die Nato attackieren - oder testen, wie manche es ausdrücken.
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