Ein durch einen russischen Angriff zerstörter Wohnblock in Odessa in der Ukraine von außen.
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Ein durch einen russischen Angriff zerstörter Wohnblock in Odessa in der Ukraine von außen.
Bildrechte: picture alliance/abaca/Lyashonok Nina/Ukrinform
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Ukraine-Krieg: Warum bleiben Ältere oft in der Heimat?

Ukraine-Krieg: Warum bleiben Ältere oft in der Heimat?

Ein Teil der Familie ist in Bayern, der andere in der Ukraine: Oft sind es gerade ältere Familienmitglieder, die in der vom Krieg erschütterten Heimat zurückbleiben. Doch wieso? Ein Beispiel einer Familie, getrennt zwischen Regensburg und Odessa.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Wenn Olena Shushkova auf ihrem Handy die Nachricht erhält, dass es über Odessa einen Luftalarm gibt, hat die 66-Jährige keinen Bunker, in den sie dann gehen kann. Sie wohnt in einem Mehrfamilienhaus am Rande der Stadt, wo es einen Keller gibt, in den manche Bewohner bei Luftalarm gehen. Doch die 66-Jährige bleibt lieber in ihrer Wohnung im ersten Stock.

Sorgen um die zurückgelassene Mutter

"Heute gab es schon zwei Mal Luftalarm im Umkreis von Odessa, aber nicht in der Stadt selbst." Solche Nachrichten sind es, die Olena ihrer 37-jährigen Tochter Tetiana regelmäßig schickt. Sie lebt 1.400 Kilometer Luftlinie entfernt und getrennt von ihrer Mutter – in Regensburg.

Tetiana ist gemeinsam mit ihrem 13-jährigen Sohn Vladyslav am 24. Februar 2022 aus der Ukraine geflüchtet. Ihr Mann Andrii war im Einsatz, wurde krank und ist dann nachgekommen. Seitdem versuchen sie sich ein neues Leben in der Oberpfalz aufzubauen. Doch die Gedanken an die zurückgelassene Mutter sind immer da: "Man macht sich schon Sorgen, weil es gefährlich ist. Aber worüber ich mir mehr Sorgen mache, ist, dass sie dort einsam ist und das ist das Schwierigste, glaube ich, was sie gerade erlebt."

"Wir haben unsere Heimatstadt verloren"

Eigentlich kommt die Familie aus Cherson, 200 Kilometer von Odessa entfernt. Wegen des Kriegs ist es dort jedoch mittlerweile zu gefährlich und weder Tetiana und ihr Mann Andrii noch Olena wollen oder können dort bleiben. Ihre Heimat, wie sie sie kennen, gibt es so nicht mehr, so Andrii: "Wir haben unsere Heimatstadt verloren. Jeden Tag wird sie bombardiert, jeden Tag sterben Menschen. Das ist Wahnsinn."

Olenas Schrebergarten liegt zum Beispiel in einem von Russland besetzten Gebiet. Deswegen lebt sie nun seit über zwei Jahren in Odessa. Doch: "Auch in Odessa zum Beispiel hat meine Mama weniger Freunde als in Cherson. Und sie fühlt sich da auch so als Gast."

Bildrechte: BR/Michelle Balzer
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"Heute gab es schon zwei Mal Luftalarm im Umkreis von Odessa." Solche Nachrichten sind es, die Olena ihrer Tochter Tetiana regelmäßig berichtet.

Neues Leben als Binnengeflüchtete

Auch in der Hafenstadt Odessa gibt es immer wieder Angriffe. Durch die Nähe zur Krim können Drohnen die Stadt innerhalb kürzester Zeit erreichen. Doch die Ukraine zu verlassen ist für Olena keine Option, trotz der großen Gefahr. Für sie ist es ihre Heimat, dort ist sie geboren, dort will sie bleiben. "Alles andere ist nur, als wärst du zu Besuch, wie auf einer Exkursion. Das hier ist unser Zuhause. Die Leute haben ihr Leben gegeben, also ist es das mindeste, dass wir hierbleiben. Weil, wenn jeder geht, was dann?"

Ähnlich wie ihre Tochter versucht Olena, sich in der Hafenstadt ein neues Leben aufzubauen. Sie hat dort Bekannte, die sie auch schon aus Cherson kannte und die sie hier regelmäßig trifft. Sie versucht, neue Routinen zu etablieren und auch hier zweimal die Woche auf den Markt zu gehen. Doch obwohl sie immer noch in der Ukraine ist, ist es einfach nicht dasselbe wie zu Hause.

Ein Krieg und zwei verschiedene Leben

Olena kann verstehen, wieso ihre Tochter geflohen ist. Hätte sie ein kleineres Kind gehabt, hätte sie sich vielleicht auch anders entschieden. Tetiana wiederum mache es zwar traurig, dass ihre Mutter die Ukraine nicht verlassen will, doch auch sie kann verstehen, wieso sie nicht gehen möchte – trotz der großen Gefahr. Die Familie sieht für sich jedoch erstmal keine Möglichkeit, wieder in die Ukraine zurückzukehren, auch wenn die Mutter dort geblieben ist.

Im Video: Ein Teil der Familie in Bayern, der andere in der Ukraine

Eine Frau hält ein Handy auf dem ein Videoanruf mit ihrer Mutter zu sehen ist.
Bildrechte: BR/Hans Mielich
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Olena und ihre Tochter halten über das Handy den Kontakt miteinander.

Die Berichterstattung der Reporterin wurde im Rahmen eines Stipendiums von Women on the Ground der International Women’s Media Foundation in Zusammenarbeit mit der Howard G. Buffett Foundation unterstützt.

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