Archivbild: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nimmt an der Parlamentssitzung teil
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Ein Polizeiwagen mit Blaulicht fährt durch München. (8.12.20)
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Vadym Sarakhan
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EU-Kritik an Ukraine: Selenskyj zunehmend unter Druck

EU-Kritik an Ukraine: Selenskyj zunehmend unter Druck

Der ukrainische Präsident Selenskyj gerät zunehmend unter Druck: Nicht nur innerhalb seines Landes, auch in der EU wird kritisiert, dass Antikorruptionsbehörden in ihrer Unabhängigkeit beschnitten werden. Der Grund ist ein neues Gesetz.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Korruption ist in der Ukraine ein allgegenwärtiges Problem und ihre Bekämpfung auch ein Anliegen befreundeter Staaten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gerät nun zunehmend unter Druck – auch von Seiten der EU – weil das Parlament in Kiew am Dienstag in einem Eilverfahren ein Gesetz verabschiedete, das die beiden mithilfe des Westens geschaffenen Antikorruptionsbehörden unter Aufsicht des Generalstaatsanwalts stellt.

Auch Berlin schließt sich den Warnungen der EU an. "Die Einschränkung der Unabhängigkeit der ukrainischen Antikorruptionsbehörde belastet den Weg der #Ukraine in die EU", schrieb Bundesaußenminister Johann Wadephul. Er erwarte von der Ukraine die konsequente Fortsetzung der Korruptionsbekämpfung.

EU-Kommissarin: "Ernsthafter Rückschritt" auf Weg zu EU-Beitritt

EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos warnte Kiew, das neue Gesetz sei ein "ernsthafter Rückschritt" auf dem Weg zu einem EU-Beitritt. Rechtsstaatlichkeit und unabhängige Behörden im Kampf gegen die Korruption blieben "im Mittelpunkt der EU-Beitrittsverhandlungen", schrieb sie beim Onlinedienst X.

Kommissionssprecher Guillaume Mercier erinnerte an die "erhebliche finanzielle Unterstützung" der EU an die Ukraine. Diese Unterstützung hänge auch davon ab, wie das Land bei der Justizreform und in den Bereichen Transparenz und demokratische Regierungsführung vorankomme.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnte in einem Schreiben an die für die Justiz zuständige Stellvertreterin des Präsidentenbürochefs, Iryna Mudra, vor einer Verschlechterung des Investitionsklimas. Dabei hob sie insbesondere die für den Abwehrkampf gegen Russland wichtigen Rüstungsinvestitionen hervor.

Wadephul erwartet Fortsetzung der Antikorruptionsbekämpfung

Bundesaußenminister Wadephul sagte, dass er von der Ukraine die konsequente Fortsetzung der Korruptionsbekämpfung erwarte. Dies sei einer der Gründe dafür gewesen, warum er sich in Kiew mit den Leitern der zwei Behörden – des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU) und der Spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP) – getroffen habe. Deutschland ist einer der wichtigsten Unterstützer der Ukraine sowohl bei den Waffenlieferungen zur Abwehr der russischen Invasion als auch bei den finanziellen Hilfen zur Stabilisierung des Landes.

Selenskyj versucht, die Wogen zu glätten

In der Ukraine gab es bereits Proteste vor allem junger Menschen aus Sorge um ein Nachlassen in der Antikorruptionsbekämpfung. Für den Mittwochabend wurde erneut zu Demonstrationen in mindestens sieben Großstädten, darunter wieder in der Hauptstadt Kiew aufgerufen. Es sind die ersten großen Proteste gegen die Regierung, mit denen Selenskyj seit Kriegsbeginn konfrontiert wird.

Vor diesem Hintergrund hat Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch ein neues Gesetz zur Funktion von Antikorruptionsorganen angekündigt. Es werde die Antwort auf alle Sorgen der Demonstranten sein und die Unabhängigkeit der Behörden zur Korruptionsbekämpfung gewährleisten, versprach er in seiner am Abend veröffentlichten Videobotschaft.

Der Skandal begann mit Razzien

Der Skandal hatte Anfang der Woche begonnen, als Polizei und Geheimdienst Dutzende Razzien bei Mitarbeitern des NABU und SAP vornahmen. Einer der Vorwürfe lautete demnach auf Kollaboration mit dem Kriegsfeind Russland.

Als Hintergrund wird allerdings ein Machtkampf der Sicherheitsorgane vermutet. Medien berichteten, dass die Antikorruptionsbehörden gegen den angeblich Selenskyj nahestehenden Ex-Vizeregierungschef Olexij Tschernyschow ermittelt haben sollen. Der an den Razzien beteiligte Geheimdienst SBU untersteht direkt Selenskyj.

Selenskyj unterzeichnete Gesetz noch am Abend

Nur einen Tag später, am Dienstag, verabschiedete das Parlament in Kiew dann in einem Eilverfahren das Gesetz, das beide Behörden unter Aufsicht des Generalstaatsanwalts stellt. Trotz öffentlicher Proteste in Kiew unterzeichnete Selenskyj das Gesetz noch am Abend.

Das Gesetz sieht vor, dass der Generalstaatsanwalt Zugriff auf alle Fallunterlagen der NABU hat. Er kann Mitarbeitern auf allen Ebenen bis hin zum Chef Anweisungen erteilen und er kann Fälle an andere Stellen übergeben, wenn er die Ermittlungen der Antikorruptionsbehörde für ineffektiv hält. Er kann auch Verfahren gegen hochrangige Beamte, darunter auch gegen den Präsidenten und Regierungsmitglieder, einstellen lassen. Selenskyj begründete das Vorgehen am Dienstag damit, die Behörden müssten von russischem Einfluss "gesäubert" und ihre Arbeit gestärkt und beschleunigt werden.

Mit Informationen von dpa und Reuters

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