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Am Mittwochabend ist ein Flugzeug auf dem Weg nach Mailand wegen eines Unwetters in Turbulenzen geraten und landete außerplanmäßig in Memmingen. Es gab acht Verletzte, drei davon wurden in eine Klinik gebracht.
In den Kommentarspalten bei BR24 diskutierten User über den Vorfall und fragten sich, wie es dazu kommen konnte. So schrieb etwa "DoktorMabuse": "Die Frage ist vielmehr, wieso ein Flugzeug über ein bekanntes Unwettergebiet geflogen ist." Während Nutzer wie "sonntagskind" den Piloten für verantwortlich halten, bringen andere, wie etwa "Schwarzerpeter", die Flugsicherung ins Spiel. Letzterer kommentierte, dass er nicht glaube, dass sich die Flieger die Routen aussuchen könnten. "Hier sind eher die Lotsen und die Flugsicherung gefragt gewesen, den Radarmeldungen entsprechend umzuleiten!"
Wie sieht es rechtlich aus? Was sagen Experten?
Flugsicherung gewöhnlich für Verkehrslenkung verantwortlich
Grundsätzlich absolvieren Piloten vor jedem Flug eine gründliche Flugvorbereitung, erklärt eine Sprecherin der Deutschen Flugsicherung (DFS) auf BR24-Anfrage. Dazu gehöre es auch, Informationen zum Wetter einzuholen. Da sich Wettersituationen aber auch während eines Fluges verändern können, müsse man oft spontaner reagieren.
Die Flugsicherung sei für die Verkehrslenkung verantwortlich. Das heißt: Im Normalbetrieb, also wenn kein Gewitter vorliegt, geben Fluglotsen den Piloten feste Vorgaben in Form von Kurs- und Höhenanweisungen. In Gewittersituationen könnten Piloten hingegen selbst entscheiden, ob sie zum Beispiel einer Gewitterzelle ausweichen und sie umfliegen wollen. Aufgabe der Lotsen sei es dann, sich auf die neue Situation einzustellen und diese sicher zu gestalten, so die Sprecherin weiter.
Experte: Finale Entscheidung immer beim "Pilot in Command"
Auch Thomas Feuerle, stellvertretender Leiter des Instituts für Flugführung der Technischen Universität Braunschweig, sieht die Entscheidungskraft letztlich beim Piloten. Die finale Entscheidung über die sichere Flugdurchführung habe immer der verantwortliche Luftfahrzeugführer, der "Pilot in Command", so Feuerle auf BR-Anfrage. In den meisten Fällen würden Piloten bei einem Gewitter die Flugsicherung darum bitten, ausweichen zu können, woraufhin diese den Flieger auf einer angepassten Route um das Gewitter lotsen würde. Allerdings verhalten sich Wetterphänomene nicht immer gleich und man müsse natürlich auf die Routen anderer Flugzeuge achten.
Das sei ein Grund dafür, dass bei zu erwartendem schlechten Wetter der Luftverkehr reduziert werde, erklärt die Sprecherin der DFS. So werde der Luftraum nicht überlastet und die Sicherheit könne gewährleistet werden. "Oberstes Gebot ist immer, das Sicherheitsrisiko für Mensch und Maschine zu minimieren", so auch Feuerle.
Im Notfall könnten Piloten die Anweisungen der Flugsicherungen übergehen, wenn sie dies für sicherheitsrelevant halten, erklärt die Pilotin Viviane Rehaag, die im Vorstand der Vereinigung Cockpit ist. Diese Entscheidungen müssten jedoch gut begründet sein und lägen in der Verantwortung der Piloten.
Luftfahrt-Bundesamt: Gewitter werden nicht durchflogen
Das Luftfahrt-Bundesamt teilt mit, dass Gewitter für Flugzeuge wegen der auftretenden starken Turbulenzen innerhalb einer Gewitterwolke und wegen möglicher Blitze gefährlich sind. Daher seien Wolken in großem Abstand zu umfliegen, da etwa Hagelschlag Luftfahrzeuge beschädigen könne, selbst außerhalb von Gewitterwolken. Im Allgemeinen würden Piloten Gewitter nicht durchfliegen, da die Gefahren zu groß seien.
Für gewöhnlich sei etwa Niederschlag auf dem Wetterradar gut zu sehen. Hagel könne jedoch vom Radar übersehen werden, weil Eis nicht so gut reflektiere. Wenn also in einem Fall keine andere Möglichkeit besteht, außer ein Gewitter zu durchfliegen, müssten eine Reihe von Maßnahmen getroffen werden. Dazu würde gehören, dass die Anschnallzeichen angeschaltet und lose Gegenstände verstaut würden. Piloten sollten Sonnenbrillen tragen, um die Blendung durch Blitze zu verhindern. Piloten würden auf solche Situationen unter anderem auch im Flugsimulator vorbereitet.
Gesetzlich vorgeschriebenes Minimum an Zusatzsprit
In den Kommentaren diskutierten User wie "RIAS" und "Struppi49" außerdem darüber, ob vielleicht ein Umfliegen eines Unwetters daran scheitern könne, dass ein Flugzeug nicht genug im Tank habe.
"Laut Gesetz müssen Flugzeuge immer Reservesprit für unvorhergesehene Ereignisse an Bord haben", erklärt Feuerer von der TU Braunschweig. Dabei gebe es ein gesetzlich vorgeschriebenes Minimum an Zusatzsprit plus möglicherweise Airline-spezifische Vorgaben. Im Rahmen dieser entscheide dann der Pilot.
Es sei möglich, aufgrund der Wetterlage zusätzlichen Treibstoff für eventuell nötige Ausweichmanöver zu tanken, erklärt Pilotin Rehaag. In seltenen Fällen könnte ein großräumiges Ausweichen aber durch begrenzte Treibstoffreserven eingeschränkt sein.
Auf die Frage, warum das Gewitter in dem Fall am Mittwoch nicht umflogen werden konnte, teilte ein Pressesprecher von Ryanair mit, dass das Wetter immer schwer vorherzusagen sei. "Aus diesem Grund haben der Kabinenchef und der Pilot entschieden, Richtung Memmingen zu fliegen, um die Sicherheit der Passagiere zu gewährleisten." Ob das Flugzeug einen Wetterradar benutzt hat und ob der Pilot über Gewitterzellen informiert wurde, konnte der Pressesprecher nicht beantworten.
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