Das Ganze sei nicht vergleichbar mit Gablingen, sagt Beiratsmitglied Claudia Arabackyi zu den Vorwürfen gegen die Justizvollzugsanstalt (JVA) Nürnberg. Diese waren Ende November zuerst durch die Nürnberger Nachrichten bekannt geworden. In dem Bericht ist unter anderem von einem Gefangenen die Rede, der für zwei Wochen in einen besonders gesicherten Haftraum (BgH) gesperrt worden sein soll.
Der Anstaltsbeirat der JVA Nürnberg besteht aus neun Mitgliedern: Darunter ist die Landtagsabgeordnete Petra Guttenberger (CSU). Sie ist die Vorsitzende. Auch SPD-Stadträtin Claudia Arabackyi gehört dazu. Der Beirat dient unter anderem als Ansprechpartner für die Gefangenen. Von den Vorwürfen gegen die JVA Nürnberg haben beide Politikerinnen aus der Zeitung erfahren.
Sondersitzung nach Vorfällen
Inzwischen kennt der Anstaltsbeirat den beschriebenen Fall. Die Mitglieder, allesamt Politiker aus dem Land- und Stadtrat, waren zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Dort, sagte die Beiratsvorsitzende Petra Guttenberger im Gespräch mit BR24, habe man den Fall durchgesprochen und sich die Abläufe bei einer Unterbringung in einem BgH schildern lassen.
Wände mit Kot beschmiert
"Ich kann nur sagen, wir haben auch Bilder gesehen von dem, was die Person gemacht hat, und man kann es eigentlich fast nicht glauben", sagt Claudia Arabackyj. Der Inhaftierte habe die Wände des BgH mit Kot beschmiert und auch die Kamera in dem Raum damit eingerieben. Offensichtlich ein Mensch in einer Ausnahmesituation.
Ob es im Rahmen von Unterbringungen wie dieser zu Straftaten kam, muss nun die Staatsanwaltschaft prüfen. Es seien mehrere Strafanzeigen eingegangen. Aktuell, teilt die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit, ermittle man wegen Körperverletzung, Nötigung und Beleidigung gegen Unbekannt.
Vermehrt besorgte Anfragen
Hilde Kugler hat täglich mit Menschen zu tun, die genau solche Vorwürfe sehr verunsichern: Sie leitet die Angehörigenberatung vom Verein Treffpunkt e. V. in Nürnberg. "Da kommen natürlich Ängste auf – wie geht es meinem Sohn, meiner Tochter, meinem Partner? Passiert da etwas Schlimmes, muss der was erleiden?" In letzter Zeit habe der Verein vermehrt Anfragen in diese Richtung erhalten. Seit 30 Jahren betreut er Menschen, die vor der Inhaftierung stehen – sowie deren Familien während der Haft.
Verein warnt: "Keine Ängste verbreiten"
Dem Verein ist wichtig, dass durch die aktuellen Vorwürfe keine Ängste befeuert werden. Deshalb klären die Mitarbeitenden über die speziellen Hafträume auf: "Diese Angst, da wird jemand wie im Fernsehen verschleppt und irgendwo ins dunkle Loch geworfen. Da können wir die Leute beruhigen, und das ist auch das, was in der Öffentlichkeit fehlt.“
Neben fehlender Aufklärung ist laut Kugler ein weiteres Grundproblem, dass die Anstalten mit immer mehr Inhaftierten mit schweren psychischen Problemen konfrontiert seien. "Normaler Strafvollzug“ wie in Nürnberg – ohne psychiatrische Abteilung – sei dafür nicht ausgestattet. Trotzdem betont sie: Gewaltvorwürfe gegen die JVA Nürnberg habe sie in 30 Jahren Vereinsgeschichte weder von Inhaftierten noch von Angehörigen erfahren.
Essen, Marmelade, Matratze: Briefe an Anstaltsbeirat
Sollten Inhaftierte sich beschweren wollen, sei der Anstaltsbeirat ein Ansprechpartner, erklärt die Vorsitzende Guttenberger. Denn die Schreiben seien vertraulich: "Das ist ein verschlossener Umschlag und ist dann Angelegenheit zwischen dem Gefangenem und mir." In den Briefen sei es bisher nie um Gewalt gegangen. Stattdessen, berichten die Beiratsmitglieder Guttenberg und Arabackyj, gebe es Beschwerden über das Essen, den Wunsch nach mehr Marmelade oder einer neuen Matratze.
Petra Guttenberger begrüßt die Kommissionspläne von Justizminister Georg Eisenreich (CSU): Dieser hatte im Rechtsausschuss des Landtags zuletzt angekündigt, man wolle Regeln für Unterbringungen in speziellen Hafträumen erstellen.
Besonders gesicherter Haftraum nur mit Richtervorbehalt?
Guttenberger plädiert außerdem für den sogenannten Richtervorbehalt beim BgH. Denn die Unterbringung dort sei immer ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines Gefangenen. Ein Richter solle entscheiden, ob und wie lange ein Gefangener dort bleiben muss.
Claudia Arabackyj hofft zudem, dass das Justizministerium das JVA-Personal aufstockt. Sie sagt: Die Zahl der Mitarbeitenden sei, gemessen an den Herausforderungen, nicht hoch genug.
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