Wie kann die Wärmewende klimafreundlich gelingen? Viele Städte in Bayern stecken gerade noch in der Wärmeplanung, die bei Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern bis Ende Juni 2028 abgeschlossen sein muss. Die Stadt Günzburg ist schon einen Schritt weiter. Denn hier wurde ein Fernwärmeprojekt umgesetzt, das seit ein paar Wochen bereits in Betrieb ist. Das Besondere: die Energie stammt aus der Kläranlage.
Wärme für 150 Einfamilienhäuser
Drei Milliarden Liter werden dort jedes Jahr umgewälzt, das gereinigte Wasser wurde bislang direkt in die Donau geleitet. Nun fließt es an einem Wärmetauscher vorbei und gibt Energie ab. "Im Winter hat das Wasser zehn bis zwölf Grad, im Sommer 20 bis 22 Grad, diese Wärme nutzen wir", sagt Lothar Böck, Vorstand der Stadtwerke Günzburg.
Diese Grundtemperatur wird mit Hilfe einer großen Wärmepumpe in der Energiezentrale auf 85 Grad angehoben. Ein Blockheizkraftwerk liefert den Strom für die Wärmepumpe und zusätzliche Wärme für das Netz. Die drei Millionen Kilowattstunden an Heizenergie reichen für rund 150 Einfamilienhäuser.
Glauber wünscht sich Nachahmer
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hofft, dass andere Kommunen dem Beispiel folgen. "Einige reden von der Wärmepumpe, als handle es sich um eine Reise zum Mond. Dabei ist die Technik seit den 80er Jahren bekannt, sie funktioniert im Prinzip wie ein umgedrehter Kühlschrank", sagt Glauber.
Es hake allerdings oft noch bei der Umsetzung von Wärmenetzen. Denn Betreiber müssten genügend Haushalte finden, die einen Anschluss wollen, sonst lohne der Ausbau nicht. Glauber appellierte, staatliche Gelder für Projekte wie in Günzburg zu verwenden, statt es den Menschen in Form von "Klimageld" auszuzahlen.
CO₂-Preis bestimmt die Heizkosten
Der Anschluss ans Netz und der Einbau einer Fernwärmeübergabestation im Eigenheim kosten zunächst mehrere tausend Euro. Über diverse Förderprogramme können aber bis zu 70 Prozent der förderfähigen Kosten erstattet werden. Fernwärme galt im Vergleich zu Öl- und Gasheizungen lange Zeit als teurer. Das hat sich im Laufe der Energiekrise durch den Ukrainekrieg vielerorts gedreht.
Mit dem CO₂-Preis kommt ein weiterer Faktor hinzu, der bei fossilen Energieträgern künftig stärker ins Gewicht fallen wird. Belief sich die Steuer bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus, das mit Öl oder Gas heizt, vergangenes Jahr noch auf rund 200 bis 300 Euro, so dürfte sich die Abgabe 2027 auf etwa 400 bis 600 Euro erhöhen. Ein Haus, das mit Abwasser-Fernwärme beheizt wird, wird durch die Steuer derzeit nur mit 20 Euro und künftig etwas mehr als 30 Euro belastet.
An einen Anbieter gebunden
Bis ein Wärmenetz verlegt ist, dauert es allerdings. In Günzburg mussten mehrere Straßen aufgerissen werden, der Verkehr wurde umgeleitet und Anwohner waren mitunter vom Baulärm genervt. Bei der Fernwärme kann man zudem den Anbieter nicht einfach wechseln. Ein Versorger baut das Wärmenetz, muss es Wettbewerbern aber nicht zur Verfügung stellen und bestimmt so auch den Preis.
"Wir müssen natürlich wirtschaftlich handeln, sind aber an gesetzliche Vorgaben und Preisindices gebunden. Es geht nicht um Gewinnmaximierung", betont Lothar Böck, Vorstand der Stadtwerke. In Günzburg gab es keinen Anschlusszwang, Haushalte konnten entscheiden, ob sie Fernwärme nutzen möchten.
Fokus auf Versorgungssicherheit
Wer sich dafür entscheidet, profitiert von mehr Raum im Keller, weil der Platz für einen Öltank oder ein Pelletlager entfällt und spart sich Ausgaben für den Schornsteinfeger oder die Wartung seiner Heizung. "Es ist vor allem auch eine Investition in eine sichere Energiezukunft, wir machen uns unabhängig von Lieferanten", sagt Günzburgs Oberbürgermeister Gerhard Jauernig (SPD) im Hinblick auf die Energiekrise während des Ukrainekriegs.
Durch zusätzliche Photovoltaikmodule auf dem Dach und der Nutzung von Klärgas aus der Klaranlage stammen 92 Prozent der Wärme aus regenerativen Energien. "Grüner kann man nicht liefern", so Jauernig. In den nächsten Jahren soll sich die Zahl der Haushalte mit einem entsprechenden Anschluss mehr als verdreifachen, bis 2035 will Günzburg klimaneutral sein.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!