Rene Dierkes am Rednerpult des bayerischen Landtags
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Seit April 2025 beobachtet das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz den AfD-Abgeordneten Rene Dierkes.

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Warum der Verfassungsschutz einen AfD-Abgeordneten beobachtet

Warum der Verfassungsschutz einen AfD-Abgeordneten beobachtet

Für die Beobachtung von Abgeordneten durch den Verfassungsschutz gelten strenge Regeln. Nun beobachtet das bayerische Landesamt einen zweiten AfD-Abgeordneten: Rene Dierkes. Der Nachrichtendienst sieht eine "Scharnierfunktion" zu Rechtsextremisten.

Als die Nachricht bekannt wird, sitzt Rene Dierkes in einer Anhörung zur Demokratiebildung. Mehrere Ausschüsse im Landtag haben dazu geladen – auch der Verfassungsausschuss, dem Dierkes angehört. Dierkes kann dort darüber sprechen, wie Extremismus besser verhindert werden soll. Dabei ist seit Donnerstag bekannt: Er selbst wird vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet, weil er womöglich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgeht.

Verfassungsschutz beobachtet Dierkes seit Ende April

Mehrere Monate hat das Landesamt für Verfassungsschutz geprüft, ob die Beobachtung von Dierkes möglich ist, hat dafür öffentliche Quellen ausgewertet. Ende April kommt es zum Ergebnis: Die Beobachtung ist verhältnismäßig.

Das Landesamt habe Äußerungen von Dierkes festgestellt, "in denen ein gegen die Menschenwürde gerichteter ethnischer Volksbegriff propagiert" und in "verfassungsfeindlicher Weise eine 'Remigration'" gefordert werde. So steht es in der Antwort der Staatsregierung auf Anfragen von Landtagsabgeordneten der Grünen und der SPD.

Außerdem habe Dierkes eine große Reichweite über seine Social-Media-Accounts, nehme eine "Scharnierfunktion zwischen der AfD und den Akteuren des rechtsextremistischen Vorfelds der Partei ein" und habe eine herausgehobene Stellung im Beobachtungsobjekt AfD. Dierkes ist Vorsitzender des Kreisverbands München-Ost und Schriftführer im Landesvorstand.

Strenge Voraussetzungen für Beobachtung

Es ist ein heikler Vorgang, wenn Verfassungsschützer Abgeordnete beobachten. Das Grundgesetz garantiert ein freies Mandat. 2013 hat das Bundesverfassungsgericht der Beobachtung hohe Hürden gesetzt. Sie ist dann möglich, wenn Abgeordnete ihr Mandat "zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung" missbrauchen oder diese aktiv und aggressiv bekämpfen.

Seit diesem Urteil ist es in Bayern nur ein Mal vorgekommen, dass die Verfassungsschützer sich zu der Beobachtung von Abgeordneten geäußert haben. Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass der AfD-Abgeordnete Franz Schmid beobachtet wird. Aktuell prüft das Landesamt bei einer weiteren – dritten – Person, ob die Voraussetzungen vorliegen.

Auf Dierkes X-Account: Posts von Martin Sellner

Rene Dierkes ist in der Vergangenheit immer wieder im Zusammenhang mit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz aufgefallen. So hat der Verfassungsschutz vor gut einem Jahr Posts von Dierkes beim Verwaltungsgericht München als Beleg dafür vorgelegt, dass es innerhalb der AfD tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen gebe.

Zum Beispiel wurde auf dem Profil von Dierkes am 13. März 2024 ein Post von Martin Sellner geteilt. Sellner ist der Kopf der als rechtsextremistisch eingestuften "Identitären Bewegung". In dem Post auf der Online-Plattform X hieß es: Man befinde sich im "letzten und besten Zeitfenster für #remigration". Sellner versteht unter "Remigration", dass auch deutsche Staatsbürger mit Migrationsgeschichte Deutschland verlassen müssen. Das Verwaltungsgericht München fand: Dieses Konzept sei auch Dierkes zurechenbar.

Im Februar 2023 war Dierkes Veranstaltungsleiter bei einer Kundgebung mit Jürgen Elsässer, dem Chefredakteur des COMPACT-Magazins. Auch dieses wird als rechtsextremistisch eingestuft. Elsässer warb bei der Veranstaltung für eine Vernetzung zwischen AfD und Organisationen, die als rechtsextremistisch eingestuft werden.

Auch im neuen Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in dem die AfD als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft wird, wird Dierkes mehrfach erwähnt.

Dierkes nennt Beobachtung "Ritterschlag"

Dierkes sagte am Donnerstag auf BR-Anfrage, er betrachte die Beobachtung als "Ritterschlag". Zugleich weist er einige Vorwürfe zurück: Er habe nirgends die Rückführung deutscher Staatsangehöriger mit Migrationshintergrund gefordert. Außerdem sei er weder Teil der "Identitären Bewegung" noch erfülle er eine "Scharnierfunktion". Es grenze "an Lächerlichkeit, wenn etwa eine Weiterleitung eines kritischen, aber sachlichen Beitrags eines patriotischen Aktivisten zum Thema Massenmigration als aggressiver Kampf gegen die Demokratie gewertet wird."

Grüne und SPD sehen Radikalisierung der AfD

Für die Grünen im Landtag ist die Beobachtung von Dierkes ein Zeichen dafür, dass sich die AfD-Fraktion radikalisiert habe. "Der Verfassungsschutz muss den AfD-Landesverband und die AfD-Fraktion im Landtag dauerhaft und umfassend in den Blick nehmen", sagt Florian Siekmann, innenpolitischer Sprecher.

SPD-Verfassungsexperte Horst Arnold sagt: "Dass Herr Dierkes rechts- und verfassungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion ist, wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die grundsätzliche Haltung dieser Partei zum Rechtsstaat."

Dierkes will klagen

Dierkes will sich nun juristisch gegen die Beobachtung wehren. Auch Franz Schmid hatte im November gegen seine Beobachtung beim Verwaltungsgericht München geklagt. Eine Entscheidung dieser Klage ist laut Gericht bislang nicht absehbar. Bisher hatte noch keine Klage der AfD gegen die Beobachtung des Verfassungsschutzes Erfolg.

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