Kulturdolmetscher Hadi Gawad begleitet den Syrer Yusuf al Ibrahim zum Arzt. Der 30-Jährige hat Krebs und muss alle paar Tage zur Behandlung in die onkologische Praxis von Dr. Andreas Hübner in Bayreuth. Yusuf al Ibrahim ist noch nicht lange in Deutschland, erst seit Kurzem lernt er Deutsch – und er kann noch zu wenig, um die komplexe Krebstherapie zu verstehen. "Der Arzt bespricht mit mir sehr viele Themen, die ich nicht verstehe und auf die ich nicht antworten kann", erklärt der junge Mann auf Arabisch.
Kulturdolmetscher für Arzt "unabdingbar"
Im Sprechzimmer fragt Dr. Andreas Hübner, wie es Yusuf al Ibrahim geht. Verträgt er die Medikamente? Heute müsse wieder Blut abgenommen werden, erklärt der Mediziner, besonders der Eisenwert müsse überprüft werden. Hadi Gawad übersetzt jedes Wort – seine Begleitung sei "unabdingbar" für die Behandlung, meint Hübner. "Man kann mit den Menschen ja häufig nicht kommunizieren", sagt der Arzt. "Viele können auch kein Englisch, dann ist es schwierig, weil Englisch auch nicht unsere Muttersprache ist, dass beide Seiten nur bruchstückhaft etwas können. Damit kann man die Patienten nicht vernünftig versorgen."
Kulturdolmetscher: Mehr als übersetzen
Die Rolle von Kulturdolmetscher Hadi Gawad ist mehr als die eines Übersetzers. Der 29-Jährige stammt ebenfalls aus Syrien, kam 2015 nach Deutschland. Er kann sich gut in Yusuf al Ibrahim hineinversetzen und weiß, welche Dinge in Deutschland ihm zunächst fremd sind. "Es geht um intime Fragen, es geht um Persönliches, was der Patient vielleicht falsch verstehen könnte", erklärt Gawad.
Natürlich übersetze er zunächst, "aber im Nachgang erkläre ich dem Patienten, was damit in Deutschland gemeint ist. Nicht dass der Patient überrascht ist und sagt: Oh, was wollen die jetzt von mir? Oder: Das ist ganz gemein, was die fragen. Dann erkläre ich, dass es hier ganz normal ist, solche Fragen zu stellen." Bei deutschen Ärzten sei es auch so, dass nicht sofort ein Medikament verschrieben werde, sondern dass sie die Patienten zu einer gesunden Lebensweise ermuntern – auch das sei für viele ungewohnt.
Brückenbauer zwischen deutscher und syrischer Kultur
Hadi Gawad begreift sich als Brückenbauer. Der Bayreuther versteht sowohl die deutsche als auch die syrische Kultur und kann deshalb vermitteln – zwischen Arzt und Patient, aber auch zwischen Ämtern und Migranten. Mit seiner interkulturellen Kompetenz hilft er, Missverständnissen vorzubeugen und den Dialog zu fördern. Vor zwei Jahren hat Hadi Gawad die Ausbildung zum Kulturdolmetscher absolviert. Diese Aufgabe übernimmt der Sozialpädagoge, der bei der Diakonie Hochfranken in Hof arbeitet, seitdem ehrenamtlich in seiner Freizeit.
Hunderte Kulturdolmetscher in Bayern
Seit 2021 haben sich insgesamt 48 Menschen in Stadt und Landkreis Bayreuth zum Kulturdolmetscher oder zur Kulturdolmetscherin ausbilden lassen – hunderte sind es in ganz Bayern. In der Qualifizierung, die in Bayreuth vom Evangelischen Bildungswerk durchgeführt wird, geht es unter anderem um deutsche Werte, Religion oder das deutsche Bildungssystem.
Gefördert wird die Ausbildung mit Mitteln des Bayerischen Innenministeriums. Aus Sicht des Integrationsbeauftragten, Ibukun Koussemou, ist das Engagement von Stadt und Landkreis Bayreuth im Bereich Integration vorbildlich. Die Kommune habe "kapiert, dass sie von Migration profitieren können", so Koussemou.
Vierte Ausbildungsrunde in Bayreuth
Erst vor kurzem ist in Bayreuth die vierte Ausbildungsrunde der Kulturdolmetscher zu Ende gegangen. Die 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben ihr Zertifikat erhalten. Nun können sie gut gerüstet Neuankömmlinge begleiten und ihnen helfen, sich besser in Deutschland zurechtzufinden – so wie Hadi Gawad.
In Bayreuth haben kürzlich 15 neue Kulturdolmetscher und -dolmetscherinnen ihr Zertifikat erhalten.
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