André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes
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Wüstner erhöht Druck auf Pistorius: "Warten auf einen Plan"

Wüstner erhöht Druck auf Pistorius: "Warten auf einen Plan"

"Er hat nicht erst 100 Tage im Amt – er muss jetzt überzeugen": Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Wüstner fordert von Verteidigungsminister Pistorius beim Sonntags-Stammtisch einen konkreten Plan für die Bundeswehr. Die Zeit dränge.

Über dieses Thema berichtet: Der Sonntags-Stammtisch am .

Deutschland stehe an einem Wendepunkt, der an die frühen Jahre der Bundesrepublik erinnere – eine Phase, geprägt von innen- und wirtschaftspolitischen Veränderungen, aber auch von einer sich im Umbruch befindlichen weltpolitischen Ordnung, sagte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, beim Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen. Die Bundesregierung habe zugesagt, die stärkste konventionelle Armee Europas aufzubauen, "und da muss Boris Pistorius jetzt einen Plan aufzeigen und zeigen, dass die bis 2030, 2035 zugesagten Ziele auch erfüllt werden. Doch da warten wir noch auf einen Plan."

Denn gerade für eine von Export abhängige Nation wie die Bundesrepublik sei eine regelbasierte Weltordnung existenziell, sagte Wüstner – und konstatierte, dass die Bundesregierung außenpolitisch Fortschritte gemacht habe.

"Boris Pistorius muss jetzt überzeugen"

Einen wesentlichen Schlüssel zur Verteidigungsfähigkeit sieht Wüstner beim Verteidigungsminister selbst: Boris Pistorius habe zwar an Popularität gewonnen – doch das allein reiche nicht. "Er hat nicht erst 100 Tage im Amt – er muss jetzt überzeugen". Besonders mit dem neuen Beschaffungs- und Infrastrukturbeschleunigungsgesetz habe Pistorius zwar ein wichtiges Werkzeug erhalten. Nun müsse er jedoch beweisen, dass er es auch umsetzt. "Wir warten auf den Plan, wie die Bundeswehr bis 2029 verteidigungsfähig gemacht wird – das ist das Jahr, von dem Pistorius ausgeht, dass Putin gefährlich wird", erklärte Wüstner.

Robin Alexander, stellvertretender Chefredakteur der Welt, ebenfalls zu Gast am Sonntags-Stammtisch, ergänzte: "Beliebtheit und Geld reichen nicht. Jetzt braucht es einen echten Plan, der den Laden nach vorne bringt." Doch es gehe nicht nur um Infrastruktur und Material, sondern auch um die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Wehrdienst. "Die Debatte in der Gesellschaft läuft durch die echten Familien", sagte Alexander. Auch für ihn persönlich stelle sich die Frage, ob die eigenen Kinder zur Bundeswehr gehen sollten – und genau hier beginne die eigentliche Herausforderung: "Da steht uns noch einiges an Überzeugungsarbeit bevor."

"Wir haben keine Chance mit Freiwilligkeit"

Laut André Wüstner sind vor allem die Personalgewinnung und Personalbindung zur strategischen Herausforderung geworden. Die Zahl der aktiven Soldatinnen und Soldaten sei viel zu niedrig. Statt der aktuell rund 170.000 Zeit- und Berufssoldaten brauche die Bundeswehr bis 2029 etwa 260.000 Profis – nur dann sei sie verteidigungsfähig. Freiwilligkeit allein werde diesen Aufwuchs aber nicht ermöglichen: "Aus meiner Sicht haben wir keine Chance mit Freiwilligkeit."

Auch europäische Partner hätten längst auf die sicherheitspolitischen Realitäten reagiert und die Wehrpflicht angepasst – häufig auch für Frauen. Deutschland hingegen habe gezögert. "Tut es jetzt, wenn wir noch Ruhe haben", sei André Wüstners Appell an die Politik gewesen. Doch dieser sei ungehört verhallt. "Jetzt ist der Zug abgefahren. Ich finde niemanden, der einen Gesetzesentwurf schreibt – und niemanden, der Mehrheiten schafft", so Wüstner.

"Wer verteidigungsfähig ist, schreckt ab"

Ein weiteres zentrales Thema: die Akzeptanz der Bundeswehr in der Gesellschaft. Zwar sei die Zustimmung zur Bundeswehr so hoch wie lange nicht – doch wenn es konkret werde, etwa bei der Frage, ob die eigenen Kinder zur Bundeswehr gehen sollten, bröckele diese Bereitschaft. "Wir brauchen eine wehrwillige Gesellschaft", sagte Wüstner. Abschreckung könne nur gelingen, wenn die Bevölkerung hinter der Truppe stehe.

"Verteidigungsfähigkeit dient einem höheren Zweck: der Abschreckung", betonte Wüstner. Kriegstüchtigkeit müsse als sicherheitspolitisches Instrument verstanden werden – nicht als aggressiver Akt. "Wer verteidigungsfähig ist, schreckt ab. Wer es nicht ist, lädt ein." Es sei ganz klar, dass Krieg die Hölle sei und keiner das wolle, besonders Soldatinnen und Soldaten. "Aber wir müssen wieder abschreckungsfähig werden", sagte Wüstner. Das gelte es auch politisch zu kommunizieren.

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