Betriebsrat, Belegschaft und Gewerkschaft vor der bedrohten H&M-Filiale in der Karolinenstraße in Nürnberg.
Betriebsrat, Belegschaft und Gewerkschaft vor der bedrohten H&M-Filiale in der Karolinenstraße in Nürnberg.
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Sie kämpfen für einen Sozialplan (v.l.): Jaana Hampel, Luciana Lopez da Silva, Helmut Gebhardt, Katerina Jean Baptiste und Julia Kaltenegger.
Bildrechte: BR/Michael Reiner
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Sie kämpfen für einen Sozialplan (v.l.): Jaana Hampel, Luciana Lopez da Silva, Helmut Gebhardt, Katerina Jean Baptiste und Julia Kaltenegger.

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Wut-Video gegen H&M-Schließung in Nürnberg geht viral

Wut-Video gegen H&M-Schließung in Nürnberg geht viral

H&M will eine Filiale in der Nürnberger Fußgängerzone schließen. Über 50 Beschäftigte bangen um ihren Job. Die Verhandlungen über einen Sozialplan sind gescheitert. Ein Wut-Video prangert den Konzern an – und geht viral. Um was es geht.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Julia Kaltenegger hat drei Jahre lang in der H&M-Filiale in der Karolinenstraße 45 in der Nürnberger Fußgängerzone gearbeitet. Die Hausnummer ist wichtig. Denn der Modekonzern will sie schließen. Nur wenige Meter entfernt davon, in der Hausnummer 11, hat er eine neue Filiale eröffnet. Doch für die Belegschaft aus der alten Filiale ist dort kein Platz. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Angst um ihren Job – und sie kämpfen für einen fairen Sozialplan.

Über eine Million Aufrufe für Kalteneggers Video

Dabei will ihnen Julia Kaltenegger helfen. "Ich leide mit ihnen mit", sagt die junge Frau, die inzwischen im Büro einer SPD-Bundestagsabgeordneten arbeitet und für die SPD für den Nürnberger Stadtrat kandidiert. "Es ist jetzt acht Jahre her, dass ich bei H&M aufgehört habe. Ich kenne viele noch persönlich aus meiner Zeit." Kaltenegger ist als july_fromtheblock auf Instagram (externer Link) aktiv. Ihr Video über die Filial-Schießung von H&M haben inzwischen weit über eine Million Nutzer gesehen.

Video zeigt einen Konzern ohne Herz

Im Video tritt Julia Kaltenegger in einer Doppelrolle auf: als ehemalige Mitarbeiterin und als Vertreterin des "Multi-Millionen-Dollar-Konzerns" H&M. Die Kolleginnen in der alten Filiale würden sich doch sicher über den Umzug und einen Tapetenwechsel freuen, sagt die Mitarbeiter-Julia. Doch die Konzern-Julia hat dafür nur Spott übrig. Sie könne sich schon bewerben, sagt sie der Mitarbeiter-Julia im Video, aber nur zu den Konditionen, die dem Konzern passen würden.

Belegschaft dankbar für Social-Media-Hilfe

"Das Video hat genau auf den Punkt getroffen", sagt Luciana Lopez da Silva, eine der Betriebsrätinnen der Filiale. Genau so seien die Arbeitgeber in den Verhandlungen um einen Sozialplan mit ihnen umgesprungen. "Ich bin dankbar, dass Julia das Video gemacht hat." Mehr als 50 Beschäftigte sind von der Schließung betroffen.

Streit um Abfindungen und Gehalt

Die Verhandlungen über einen Sozialplan habe H&M nach zwei Stunden für gescheitert erklärt, sagt Jaana Hampel von der Gewerkschaft Ver.di. Die Vorstellungen beider Seiten langen zu weit auseinander. Zum einen ging es um die Höhe der Abfindungen. Zum anderen war es die Aussicht darauf, dass die alten Mitarbeiter in einer neuen Filiale künftig weniger verdienen würden. Im Raum steht laut Ver.di ein Verzicht von rund 20 Prozent. Hampel sagt dazu: "Das ist bei einem Einzelhandelsgehalt unterirdisch."

Der Konzern schweigt

Der Konzern hat auf eine Anfrage des Bayerischen Rundfunks nicht geantwortet. Der Nürnberger Store-Manager darf nichts sagen. Die Gewerkschaft wird weiterkämpfen. Die Zahlen in beiden Filialen in der Karolinenstraße seien gut, sagt Hampel. Beide könnten mit einem "klugen Konzept" überleben. Die eine beispielsweise als "Herren-Filiale", die andere mit Schwerpunkt auf Damenmode und Home-Textilien, so Hampel.

Doch davon will der Konzern nichts wissen. "Die Kolleginnen und Kollegen, die hier für so lange Zeit gearbeitet haben, haben es verdient, einen ordentlichen Sozialplan zu bekommen", sagt die Gewerkschaftssekretärin. Oder wie es Julia Kaltenegger in ihrem Video formuliert: "Als Dank gibt’s einen beschissenen Sozialplan, keine Wertschätzung, tiefe Enttäuschung und Existenzängste."

Betriebsrat appelliert an die Chefs

Die Belegschaft hofft, dass durch das millionenfach geklickte Video wieder Bewegung in die Verhandlungen kommen könnte. Betriebsrätin Luciana Lopez da Silva appelliert an die Geschäftsleitung, die Belegschaft als "Kolleginnen und Kollegen" zu sehen, "die für Euch hart gearbeitet haben hier in dieser Filiale". Sie sei seit 15 Jahren im Unternehmen. "Die Arbeit macht weiter Spaß. Ich möchte nicht auf der Straße stehen. Ich habe Angst um meine Existenz."

Letztes Wort hat die Einigungsstelle

In den kommenden Wochen wird die Verhandlung über einen Sozialplan wohl an eine sogenannte Einigungsstelle gehen. Sollte es auch dort zu keiner Lösung kommen, entscheidet der neutrale Vorsitzende dieser Stelle, wie der Sozialplan aussehen wird. Davor plant die Gewerkschaft jedoch noch weiter Aktionen. Die nächsten Videos sind bereits in Planung.

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