Manuela Huber blickt über den Zaun des Geheges auf ihre Tiere. Sechs Kamerunschafe grasten hier einmal. Aber zwei wurden Ende November getötet, ein weiteres verletzt. "Die anderen Schafe sind noch immer in Habacht-Stellung und sehr vorsichtig, wenn sie aus dem Stall gehen", sagt Huber.
- Zum Vorbericht: Waldkindergarten evakuiert – ein Wolf in Ziemetshausen?
Weil eines der Tiere bis auf Kopf und Hals nahezu vollständig aufgefressen worden war, fiel der Verdacht schnell auf einen sogenannten "großen Beutegreifer". Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Landesamts für Umwelt hatte Pfotenabdrücke, Rissspuren, Haare und Kot eingesammelt. Sie wurden von Experten geprüft und teils in Laboren einer genetischen Analyse unterzogen. Das Ergebnis: Es war definitiv ein Wolf.
Kindergarten geräumt
Er gehört zur Alpen-Population. Ob es sich um ein männliches oder weibliches Tier handelt, darüber gibt es bislang keine Angaben. Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, weil sich das Gehege nur etwas außerhalb von Ziemetshausen befindet. Bis zu den ersten Wohnhäusern sind es 150 Meter. In der Nähe ist der Waldkindergarten.
Die Kinder der "Pfifferlinge"-Gruppe wurden sicherheitshalber im Stammhaus "Märcheninsel" betreut. Die Räume sind den Kleinen vertraut, weil sie hier beispielsweise Feste feiern. Man habe das Thema "Wolf" nicht groß mit den Kindern besprochen, um sie nicht zu verunsichern, so die Leiterin des Kindergartens. Ob sie bald wieder nach draußen in den Wald können, wo sie bei fast jeder Witterung spielen, wollen der Kindergartenträger, die Gemeinde und die Kindergartenfachaufsicht in gemeinsamen Gesprächen klären.
Keine neuen Spuren
Der Bürgermeister sieht Zeichen der Entspannung, weil der Vorfall nunmehr über zwei Wochen zurückliegt und bis dato keine weiteren Spuren gefunden wurden. "Es ist davon auszugehen, dass es sich um ein Einzeltier handelt, das nicht bei uns sesshaft ist", sagt Ralf Wetzel. Ein Wolf kann am Tag viele Kilometer zurücklegen und könnte sich theoretisch längst in Memmingen, Kaufbeuren oder bei Günzburg befinden.
Wölfe sind überwiegend in der Dämmerung oder Nacht aktiv und meiden Menschen. "Seit der erneuten Anwesenheit von Wölfen in Deutschland" habe es "keinen Angriff auf Menschen gegeben", sagt das Landesamt für Umwelt. In den zurückliegenden 50 Jahren wurden in Europa neun Fälle von tödlichen Angriffen auf Menschen bekannt, fünf davon durch tollwütige Tiere.
Zum Vergleich: In Deutschland starben 2007 bis 2009 durch Insektenstiche 45 Menschen, seit 1989 gab es 40 Todesfälle durch Hunde.
Schafhalter treffen Vorsorge
Bei den Tierhaltern in Ziemetshausen bleibt ein mulmiges Gefühl. Manuela Huber hat innerhalb des Geheges einen zweiten, einen Elektro-Zaun aufgebaut. Der soll den Wolf von einem weiteren Angriff abhalten. Über noch mehr Maßnahmen denkt sie nach.
Die Kosten würden zwar teilweise von einem Förderprogramme des Freistaats getragen. Aber Aufwand und Nutzen müssten in einem sinnvollen Verhältnis stehen. "Als Hobbyhalter überlegt man schon, stockt man den Bestand auf oder lässt man es lieber ganz sein", sagt Huber.
Lämmer bleiben vorsichtshalber im Stall
Sie hat jetzt eine Kamera bestellt, die ihr Fotos direkt aufs Smartphone schicken soll, wenn sich in der Nähe des Geheges etwas bewegt. Ihre Nachbarn stehen mit rund 400 Schafen vor ganz anderen Herausforderungen, auch weil die Tiere auf mehrere Standorte verteilt sind. "Man müsste ja zu jeder Herde einen Hütehund stecken, der ausgebildet ist. Das wäre schon eine große Anstrengung." Die Lämmer des Nachbarn bleiben zur Sicherheit erstmal im Stall.
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