Es war eine Zustimmung zweiter Klasse: nur eine Ja-Stimme, vier Enthaltungen. Damit stellte nach BR-Informationen der Haushaltsausschuss des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) Ende Juni zwar fristgerecht den Finanz-Jahresabschluss 2024 fest und entlastete den Vorstand. Zugleich drückte er aber Besorgnis über die Finanzlage der BRK-Landesgeschäftsstelle und Unmut aus. Denn das Gremium musste entscheiden, ohne wichtige Unterlagen bekommen zu haben. Pikant: Schon 2023 war die Entlastung mit nur einer Ja-Stimme erfolgt – wegen Zweifeln an der "Richtigkeit und Vollständigkeit des Jahresabschlusses 2022".
Seit zwei Jahren bemüht sich der Haushaltsausschuss des BRK als zuständiges Gremium vergeblich um vollständigen Einblick in Details der finanziellen Lage. Mit einem Umsatz von 1,7 Milliarden Euro, 26.500 hauptamtlichen und 180.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern ist das BRK die wohl größte Hilfsorganisation im Freistaat. Finanziert wird es durch öffentlich-rechtliche und private Kostenträger, Spenden und Fördermitgliedsbeiträge.
BRK-Präsidentin beschwert sich
BRK-Präsidentin Angelika Schorer erfuhr unmittelbar nach der Sitzung am 26. Juni vom Abstimmungsverhalten des Ausschusses und ging sofort in die Offensive: Noch in der Nacht verschickte sie eine E-Mail an Präsidium, Landesvorstand und Haushaltsausschuss – mehr als 50 Empfänger.
In dem zweiseitigen Brief, der dem BR vorliegt, bedauerte die Ex-CSU-Landtagsabgeordnete, dass der Ausschuss Sparmaßnahmen der Geschäftsstelle nicht ansatzweise gewürdigt habe, die zu einem ausgeglichenen Jahresergebnis geführt hätten. Einzig die Übernahme des "Jahresfehlbetrags" der Integrierten Leitstellen – der vom BRK betriebenen Notrufzentralen – sowie eingestellte Rückstellungen hätten zu einem Defizit geführt. Das Signal, das vom Ausschuss-Votum ausgehe, sei enttäuschend und in seiner Wirkung fatal. "Es untergräbt das Vertrauen in die gemeinsame Zielrichtung."
Ausschuss droht mit juristischen Schritten
Das wollte wiederum der Haushaltsausschuss nicht auf sich sitzen lassen. Das Gremium habe Schorers Mail "mit größter Befremdung" zur Kenntnis genommen, schrieb Ausschusschef Wolfgang Schuß in einer vierseitigen Antwort. Die Präsidentin greife in die Souveränität des Gremiums ein, kritisiere eine ordnungsgemäße Abstimmung und rüttele damit "am demokratischen Entscheidungsweg". Der Ausschuss behalte sich juristische Schritte gegen unberechtigte Vorwürfe vor.
Weiter bemängelte Schuß, dass dem Gremium wichtige Unterlagen vorenthalten worden seien, die für die Entlastung relevant gewesen wären. So sei die Einsicht in Prüfberichte zunächst schriftlich zugesagt und dann nach Anreise der Ausschussmitglieder doch verweigert worden. Schriftliche Unterlagen zum Stand der Tilgung von Altlasten seien wiederholt nicht vorgelegt worden. Hier fehlten insbesondere Dokumente dazu, wie die Geschäftsstelle die bei Kreis- und Bezirksverbänden eingezogenen Mittel verwendet habe. Ein umfangreicher Fragenkatalog des Haushaltsausschusses aus dem September 2023 sei in "wesentlichen Teilen unbeantwortet".
Eingesehene Unterlagen enthalten laut Schuß "gravierende Feststellungen der Internen Revision, welche leider Anlass zu großer Besorgnis geben". Die optimistische Einschätzung der Finanzen durch die Landesgeschäftsstelle teile der Haushaltsausschuss "angesichts der dramatischen Gesamtlage derselbigen" nicht.
"Deutliches Signal"
Auf BR-Anfrage erläutert der Ausschusschef, das Gremium habe sich in seiner Sorge um die finanzielle Situation des BRK in den vergangenen Jahren nicht ausreichend ernst genommen gefühlt. Mit der Abstimmung sollte "ein deutliches Signal gesetzt werden, dass der Landes-Haushaltsausschuss eine solche Zusammenarbeit nicht weiter akzeptiert". Mittlerweile liege ihm eine Stellungnahme der Geschäftsführung vor, die der Ausschuss bewerten werde.
Das bayerische Innenministerium, das die Rechtsaufsicht über das BRK hat, sieht keinen Handlungsbedarf. Eine Sprecherin verweist auf die Satzungsautonomie des BRK. Das "Ergreifen von rechtsaufsichtlichen Schritten" sei "derzeit nicht angezeigt".
Präsidentin bedauert
BRK-Präsidentin Schorer bezeichnet es in einer Stellungnahme für den BR als irritierend, dass interne Schreiben an Unbeteiligte gelangt seien. Das Votum des Ausschusses habe sie "persönlich getroffen". Die angesprochenen Themen beträfen teilweise lange zurückliegende Zeiträume, die "nicht in der Verantwortung der aktuellen Verantwortlichen liegen, aber dennoch von uns sehr ernst genommen werden". Schorer ist seit 2021 ehrenamtliche BRK-Präsidentin.
Sie bemüht sich, die Wogen zu glätten: Ein Angriff auf die Souveränität des Ausschusses liege ihr fern. "Dass dennoch ein solcher Eindruck entstanden ist, bedauere ich." Gleichzeitig sei ihr bewusst geworden, dass es ein "ein Defizit in der Kommunikation" gegeben habe. "Ich bin entschlossen, diese unbeabsichtigte Situation gemeinsam mit allen Beteiligten zu verbessern."
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!