Trümmer so weit das Auge reicht. Nach dem Bürgerkrieg in Syrien sind Teile des Landes unbewohnbar. Außenminister Johann Wadephul besucht in der vergangenen Woche das Land und zeigt sich vom Ausmaß der Zerstörung erschüttert. Der CDU-Politiker glaubt nicht, dass eine große Zahl syrischer Flüchtlinge freiwillig aus Deutschland in ihre Heimat zurückkehrt. In einem schwer verwüsteten Vorort von Damaskus sagt der Minister: "Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben."
Kritik an Außenminister Wadephul
Die Aussagen Wadephuls sorgen in der Union für Unruhe. Manche Parteikollegen können sie nicht nachvollziehen. "Der syrische Bürgerkrieg ist vorbei" und für die "allermeisten ausgereisten Syrer eine Rückkehr nun möglich und zumutbar", meint der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Günter Krings. Sachsen-Anhalts CDU-Chef Sven Schulze fordert, eine Strategie mit dem Ziel, viele syrische Flüchtlinge zu einer Rückkehr zu bewegen. "Ein in Teilen zerstörtes Land und schlechtere Lebensbedingung als in Deutschland sind kein Grund, daran nicht zu arbeiten", so Schulze.
Kritik kommt auch vom Vorsitzenden der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Hoffmann. Er erklärt am Wochenende in einem Zeitungsinterview, es sei "absolut notwendig und richtig", Vereinbarungen mit Syrien zu erarbeiten, damit zunächst Straftäter und Gefährder abgeschoben werden können. Er erinnert dabei an den Koalitionsvertrag, in dem es heißt: "Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben."
Innenminister setzt auf Rückführungen nach Syrien
Auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt verweist auf den Koalitionsvertrag. Mit Rückführungen nach Afghanistan sei bereits begonnen worden, erklärt Dobrindt am Rande eines Pressetermins in Mannheim. Der CSU-Minister bekräftigt, auch nach Syrien abschieben zu wollen. Man sei dabei, "mit Syrien Vereinbarungen zu machen", um syrische Flüchtlinge rückführen zu können.
Droht ein unionsinterner Zwist?
Die Debatte nimmt Fahrt auf. Die Sprecher verschiedener Ministerien und der Bundesregierung versuchen zu bremsen und die Wogen zu glätten. Wadephul sei falsch verstanden worden. Man müsse zwischen der freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien und dem Abschieben schwerer Straftäter unterscheiden. Letzteres sei "unzweifelhaft", sagt Regierungssprecher Stefan Kornelius. Und mit Blick auf die freiwillige Rückkehr von Syrern heißt es: Die Bundesregierung arbeite an der schnellen Stabilisierung Syriens, um die Voraussetzung zu schaffen, dass Flüchtlinge zurückkehren wollen.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann spricht in der ARD von einem "Scheinkonflikt" – im Sinne von viel Lärm um nichts. Es gebe in der Union keinen Dissens: "Wir schieben ab, wir müssen abschieben – natürlich die Straftäter", so Linnemann. Die Bundesregierung halte an ihren Plänen fest.
Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz sieht ebenfalls keine unterschiedlichen Positionen in seiner Partei. Es werde in Zukunft viele Syrer geben, die von sich aus zurückkehren wollen. Schließlich würden sie in Syrien für den Wiederaufbau gebraucht. "Dies werden wir fördern", betonte Merz.
Rückendeckung für Wadephul
Zuspruch bekommt Außenminister Wadephul vom Koalitionspartner SPD sowie von Grünen und Linken. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf findet die Äußerungen des Ministers "sehr ausgewogen". Sie würden erkennen lassen, "dass die Dinge nicht so einfach gelagert sind, wie sie manchmal dargestellt werden". Entscheidend sei nun, dass Außen- und Innenminister eine gemeinsame Lösung und ein gemeinsames Vorgehen finden.
Grüne und Linke sprechen sich gegen Abschiebungen nach Syrien aus. Die Verfolgung religiöser Minderheiten sowie die Gefahr eines erneuten Bürgerkriegs in Syrien würden ausgeblendet.
Viele Syrer wollen nicht zurück
Rund 950.000 Syrerinnen und Syrer leben derzeit in Deutschland. Sie sind die drittgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland – nach den Zugewanderten aus der Türkei und der Ukraine. Sie spielen auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine wichtige Rolle, zeigen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. In bestimmten Branchen gelten sie als unverzichtbar, zum Beispiel in Kliniken und Arztpraxen. So stammen laut Bundesärztekammer mehr als 7.000 Ärztinnen und Ärzte aus Syrien.
Es gibt aber auch viele Syrer, die Deutschland verlassen müssen, weil sie keinen Anspruch auf Asyl haben. 10.700 Personen sind nach Behördenangaben ausreisepflichtig. Rund 9.800 werden aber geduldet.
Bisher wollen nur wenige zurück nach Syrien: von Ende 2024 bis August sind etwa 4.600 Personen freiwillig ausgereist.
Im Video: Union debattiert über Rückkehr syrischer Flüchtlinge
Außenminister Wadephul in Syrien
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!

