Die Staatsanwaltschaft des Berliner Landgerichts hat Anklage gegen Andreas Scheuer (CSU) und den früheren Staatssekretär Gerhard Schulz erhoben. Beiden wird vorgeworfen, im Untersuchungsausschuss zur Pkw-Maut im Oktober 2020 "bewusst wahrheitswidrig" ausgesagt zu haben.
Aussage im Maut-Untersuchungsausschuss: Worum geht es?
Die Pkw-Maut galt als Prestigeprojekt der CSU. Doch im Juni 2019 stoppte der Europäische Gerichtshof das Vorhaben, weil es gegen EU-Recht verstoße. Bundesverkehrsminister Scheuer hatte bereits vor diesem Urteil den Vertrag mit den Betreibern für die Maut verbindlich unterschrieben. In der Folge musste der Staat deshalb den vorgesehenen Betreibern 243 Millionen Euro Schadensersatz zahlen.
Die Betreiber hätten Andreas Scheuer aber in einem persönlichen Gespräch angeboten, mit der Unterschrift so lange zu warten, bis der EuGH zu einem Urteil gekommen ist. Im "Maut-Untersuchungsausschuss" des Bundestags entgegnet Scheuer, er könne sich an dieses Gespräch nicht erinnern. Sein damaliger Staatssekretär Schulz bestätigt das, auch er könne sich nicht erinnern.
"Ein Angebot zur Verschiebung des Vertragsabschlusses bis zu einer Entscheidung des EuGH durch die Betreiber hat es nach meiner Erinnerung bei diesem Treffen nicht gegeben." Andreas Scheuer bei seiner Zeugenvernehmung am 1.10. 2020 vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages
Erinnerungslücke oder Unwahrheit?
Andreas Scheuer kann sich nicht erinnern und genau das kommt dem damaligen Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, Udo Schiefner (SPD), merkwürdig vor. Gegenüber BR24 erklärt er, dass er es nach wie vor äußerst ungewöhnlich findet, dass sich Scheuer an einen so bedeutenden Gesprächsinhalt mit dem Betreiber nicht erinnern könne. Immerhin ging es um einen Sachverhalt von enormer Wichtigkeit. Der Untersuchungsausschuss sei damals dann zum Ergebnis gekommen, dass Aussage gegen Aussage stehen würde.
Welches Strafmaß droht dem Ex-Verkehrsminister?
Handelt es sich um eine Falschaussage ohne Eid? Die wäre in jedem Fall strafrechtlich relevant. Und wegen der besonderen Bedeutung des Falles, so erklärt es die Staatsanwaltschaft Berlin, wird Scheuer vor dem Landgericht angeklagt. Doch erst, wenn die Anklage zugelassen wird, kommt es auch zu einem Strafverfahren.
Gemäß § 162 in Verb. mit § 153 des Strafgesetzbuches ist eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen, wenn man als Zeuge uneidlich falsch aussagt, zum Beispiel vor Gericht oder auch vor einem Untersuchungsausschuss.
Was sagt Andreas Scheuer?
Scheuer schreibt auf seiner Facebook-Seite, dass die Entscheidung des Staatsanwaltes, nun Anklage zu erheben, für ihn nicht nachvollziehbar sei und ihn betroffen mache. "Die Motive und der Zeitpunkt für die Anklage sind mir unverständlich und erscheinen mehr politisch motiviert." Nach einer so langen Zeit der Untersuchung nutze der Staatsanwalt das sogenannte mediale "Sommerloch" für die Anklageerhebung. Scheuer will sich zur Wehr setzen und seine Unschuld verteidigen.
Was sind die weiteren Reaktionen?
Alexander Hoffmann, der Vorsitzende der CSU Gruppe im Bundestag, sagt, dass die Vorwürfe bereits im Untersuchungsausschuss des Bundestages umfassend geprüft und keine Falschaussage des damaligen Bundesverkehrsministers und seines Staatssekretärs festgestellt wurde. "Ich gehe davon aus, dass dieses Verfahren zum gleichen Ergebnis kommen wird."
Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Swantje Michaelsen, erklärt, die Anklage der Berliner Staatsanwaltschaft zeige, "dass seine Aussagen nicht nur politisch, sondern auch rechtlich Fragen aufwerfen und hier Klärungsbedarf ist".
Die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses waren glasklar, erklärt der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Oliver Luksic. Für ihn sei es überraschend, dass die Staatsanwaltschaft so spät aktiv wurde.
Im Video: Anklage gegen Scheuer
Anklage gegen Scheuer
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