Unterstützung nur für die, die sie wirklich brauchen – unter diesem Motto soll das Bürgergeld reformiert und in eine neue "Grundsicherung" überführt werden. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) betont aber auch: "Wer Hilfe braucht, kann sich auf den Staat verlassen." Das Kabinett hat den Gesetzesentwurf am heutigen Mittwoch verabschiedet.
Mit der Grundsicherung sollen Sanktionen verschärft und der Vermittlungsvorrang für Menschen, die arbeiten können, wieder eingeführt werden. Statt Qualifizierung soll also eine schnelle Vermittlung in Arbeit Priorität haben. Der Gesetzentwurf im Überblick.
Wie werden Sanktionen verschärft?
Schon jetzt wird das Bürgergeld gekürzt, wenn Empfänger zum Beispiel ohne triftigen Grund mehrere Termine beim Jobcenter versäumen oder zumutbare Arbeit nicht annehmen, obwohl sie arbeitsfähig sind. In Zukunft sollen diese Kürzungen schneller und härter greifen.
Der Gesetzentwurf sieht vor, beim zweiten versäumten Termin oder bei anderen Pflichtverletzungen 30 Prozent der Leistungen zu kürzen. Beim dritten Mal droht die komplette Streichung der Zahlungen. Wer sich danach immer noch nicht meldet, dem kann sogar die Unterstützung für die Wohnung gestrichen werden, die direkt an den Vermieter geht.
Formal handelt es sich dabei nicht um Sanktionen. Stattdessen nimmt das Jobcenter bei mehreren versäumten Terminen an, dass die Leistungsempfänger nicht erreichbar sind. Damit entfällt der Anspruch auf Grundsicherung. Bevor die Unterstützung komplett gestrichen wird, sollen die Leistungsempfänger aber persönlich angehört werden. Damit will die Arbeitsministerin besonders psychisch kranke Menschen schützen.
Was ist noch geplant?
Bisher durften alleinstehende Bürgergeldempfänger im ersten Jahr bis zu 40.000 Euro Vermögen behalten. Jetzt soll es je nach Alter verschieden hohe Schonvermögen geben, maximal 20.000 Euro. Auch die Miete wird im ersten Jahr nicht mehr vollständig übernommen, wenn sie deutlich über einer vom Jobcenter vorgegebenen Höhe liegt.
Warum hat die Reform so lange gedauert?
Die Bürgergeld-Reform ist für die Koalition kein leichtes Thema. Für die SPD war das Bürgergeld eine soziale Herzensangelegenheit, für die Union von Anfang an ein rotes Tuch. Trotzdem einigten sie sich im Koalitionsvertrag auf eine Umgestaltung, die die Koalitionsspitzen Anfang Oktober im Koalitionsausschuss konkretisierten.
Eigentlich sollte der Gesetzentwurf aus dem Arbeitsministerium schon Anfang Dezember ins Kabinett. Doch in mehreren unionsgeführten Ministerien störte man sich an der persönlichen Anhörung vor der kompletten Leistungskürzung. Eine Woche später als geplant hat das Kabinett den Gesetzesentwurf jetzt verabschiedet – mit der Formulierung, dass es in bestimmten Fällen die "Gelegenheit" zur persönlichen Anhörung geben soll.
Was bedeuten die Änderungen für Betroffene?
Verschiedene Sozialverbände kritisieren die Reform deutlich. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnt, die neue Grundsicherung verschärfe Unsicherheit und Existenzängste. Besonders psychisch kranke Menschen könnten von den Sanktionen betroffen sein, heißt es von der Diakonie.
Der Sozialverband Deutschland kritisiert, dass die Wohnkosten schon im ersten Jahr nicht mehr in voller Höhe übernommen werden sollen. Leistungsempfänge könnten nicht einfach umziehen, weil bezahlbarer Wohnraum fehle. Die Selbsthilfeinitiative Tacheles bemängelt, dass das Gesetz teilweise sehr unübersichtlich und missverständlich formuliert sei. Das könne besonders im Bereich der Leistungseinstellung zu mehr Rechtsunsicherheit führen.
Bringt die Reform die angekündigten Einsparungen?
In der Union wollte man mit der Reform des Bürgergelds Milliarden einsparen. Im Gesetzesentwurf werden die Einsparung für 2026 aber nur auf 86 Millionen Euro geschätzt. Das ist nur ein Bruchteil der Gesamtausgaben für das Bürgergeld. Die lagen 2024 laut der Bundesagentur für Arbeit bei rund 47 Milliarden Euro. Echte Kosteneinsparungen ergeben sich laut Bärbel Bas nur, wenn deutlich mehr Menschen in den Arbeitsmarkt integriert werden können.
Wirtschaftsvertreter zeigen sich trotzdem zufrieden mit der Reform. Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian, spricht in der "Rheinischen Post" von einem Signal in die richtige Richtung. Arbeiten müsse sich mehr lohnen als von der Grundsicherung zu leben. Ähnlich hatten sich auch schon Arbeitgebervertreter geäußert.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung muss noch durch den Bundestag. Verabschiedet werden soll das Gesetz Mitte nächsten Jahres. Doch in der SPD ist die Reform umstritten. Teile der SPD-Basis haben ein Mitgliederbegehren gegen die Reform initiiert. Der bayerische Juso-Vorsitzende Benedict Lang nannte die Reform auf Instagram eine "Kapitulation der SPD". Die SPD müsse wieder stärker für soziale Gerechtigkeit streiten, statt politischen Stimmungen hinterherzulaufen.
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